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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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genommen. Alle meine Zuversicht. Er hat die genommen, die ich war. Und die, die ich werden will.«
    Sirkka seufzt tief. Sie sieht aus wie nach einer Ohrfeige, geschockt und wütend zugleich. Vorsichtig, und ohne etwas zu sagen, streckt sie ihre magere runzlige Hand nach Malin aus. Berührt vorsichtig ihr Knie.
    »Liebes Kind, ich nehme zurück, was ich gesagt habe – dass ich mit euch jungen Mädchen tauschen möchte.«
    Wir sitzen still da und sagen sehr lange nichts. Draußen hat die Dunkelheit sich über Södermalm gesenkt, ohne darauf zu achten, was in meiner Praxis vor sich geht.

Markus’ Körper über meinem, heiß und hart.
    Falscher Körper?
    Stefan.
    Und doch kommt es mir so richtig vor. Als ob ich auf irgendeine Weise nach Hause gefunden hätte. Als ob dieser warme Körper hier alle meine Wunden heilen wird.
    Mich ganz und gar heilen.
    Wie wir uns noch nachmittags gerade darüber gestritten haben! Seine Stimme wie Sandpapier, wollte mir allen Schutz wegreißen. Mich öffnen. Das unangenehme Gefühl, eine Frucht zu sein, die jemand schälen, deren Inneres er sich ansehen will. Um es zu verschlingen.
    »Du lässt dich nicht auf mich ein. Du … lässt mich zwar hier bei dir sein. Neben dir. Aber du machst deinen eigenen Kram. So, als ob ich nicht hier wäre. Als ob ich tot wäre. Wie er, dein Ex.«
    »Bitte, Markus …«
    Meine Stimme dünn, flehend.
    »Alles geschieht nur zu deinen Bedingungen.«
    Ich verstummte. Wusste, dass er recht hatte. Wusste, dass er wusste, dass ich wusste.
    »Du und dein Scheißprozess …«
    Mein Prozess.
    Ich habe versucht, es zu erklären, so behutsam wie möglich. Wie Stefan, auch wenn er tot ist, in meinem Leben noch immer auf seltsame Weise anwesend ist. Dass ich nicht weiß, ob ich mich an einen anderen binden kann. Denn es geht hier nicht darum, was ich will.
    Oder vielleicht doch?
    Ich sah ihm an, dass es ihm wehtat, und ich kann es verstehen. Ich will ihn nicht auf dieselbe Weise, wie er mich will. Er will die ganze Packung: Ring am Finger, Reihenhaus, verrotzte Gören, Besprechungen im Kindergarten, Bausparkasse, Fußballtraining, Grillfest mit den Nachbarn.
    Ich weiß nicht, was ich will. Mein Leben ist wie Wasser, das die Umgebung widerspiegelt, aber keine Farbe oder Geschmack hat. Es fließt davon, wenn man versucht, es einzufangen.
    Und doch: Er ist ein erwachsener Mann. Der selbst entscheidet.
    Dann hau doch ab, wenn es dir nicht gut genug ist!
    Ich habe ihm nichts versprochen. Nicht ich schicke eine SMS nach der anderen. Eine Nachricht nach der anderen. Nicht ich habe heiße Liebeserklärungen gemailt. Ich war nur … hier, wenn er gekommen ist. Immer, wenn er gekommen ist. Ich habe ihn nur aufgenommen.
    Offene Arme. Hungriger Mund.
    Ich habe es klar gesagt. Er wollte es selbst so.
    Und doch. Seine schweißnasse Stirn an meiner Brust. Sein Atem in meinem Nacken. Nacht für Nacht. Diese Arme, noch immer ein wenig sonnenbraun nach dem Sommer, die mich festhalten wie ein Schraubstock.
    Und nie will ich ihn loslassen. Ich müsste bereit sein, dafür zu bezahlen.
    Schwach.
    Ich glaube, wir sind beide schwach.
    Wenn auch auf unterschiedliche Weise.
    Danach.
    Markus, der hinter mir im Bett liegt. Schwer atmet. Sein Finger, der kleine Kreise auf meinen Rücken zeichnet.
    Warum machen Männer so etwas? Vielleicht schreibt er etwas?
    Du gehörst mir.
    Ich rutsche weiter, schiebe mich langsam auf die andere Seite des schmalen Bettes.
    Vorsichtig.
    Voller Angst, er könnte das als demonstrative Geste deuten, was es nicht ist. Ich muss nur eine Weile den Leerraum um meinen Körper spüren. Die Abwesenheit seiner schweißnassen Haut. Seiner Fürsorge. Seiner Erwartungen.
    Draußen fällt der Regen dichter. Wächst zu einem ohrenbetäubenden Trommeln auf dem Dach. Entlaubte kahle Zweige kratzen im Wind über meine Fensterscheibe.
    Ich habe versucht, es ihm zu erklären. Mein Bedürfnis nach Intimsphäre zu erklären. Nach physischer und mentaler. Erklärt, dass allein die Vorstellung einer etablierten Zweierbeziehung, mit Besuchen bei den Schwiegereltern und gemeinsamen Mahlzeiten, mir eine Gänsehaut einjagt. Ich konnte ihm ansehen, dass er es wirklich verstehen wollte, aber nicht konnte. Er schaute mich an wie ein exotisches Gericht, das er gerne probieren würde, das ihm am Ende dann aber doch nicht schmeckte.
    »Du?«
    Markus schmiegt sich an mich, sein feuchter Körper formt sich zu einer perfekten Kopie von meinem. Passt sich an meinen schwachen Rücken an. Er schlingt

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