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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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verdammt dumm sein? Ich bin also mit zu diesem Typen nach Hause gegangen, den ich gar nicht persönlich kannte. Allein, angetrunken. Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht? Dann, als ich dort ankam, er wohnt in den Wohnblocks beim Schwimmbad, hinten beim Sportgelände, hatte ich so ein verdammt komisches Gefühl, als er die Tür aufgemacht hat. Er sah … sah mich so verflucht seltsam an, lächelte irgendwie. Aber nicht auf freundliche Weise. Ich hatte das Gefühl, dass er mich aus irgendeinem Grund auslachte, wie man das tut, wenn jemandem etwas schiefgeht, wenn man ein volles Glas auf den Boden fallen lässt oder so … jedenfalls, ich hätte immer noch kehrtmachen und gehen können. Er ist ja schließlich nicht gleich im Treppenhaus über mich hergefallen. Aber ich kam mir so blöd vor, also bin ich trotzdem reingegangen. So verdammt bescheuert.«
    Es herrscht Totenstille im Raum. Alle sehen Malin an, die zusammengesunken auf ihrem Stuhl sitzt. Jetzt umschlingt sie sich selbst mit ihren muskulösen Armen, als ob sie fröre oder in ihrem eigenen Körper Trost suchte.
    »Okay, ich war vielleicht auch nicht ganz so gescheit angezogen. Sehr … äh … kurzer Rock … ich weiß, es ist so verdammt abgegriffen: Natürlich spielt das keine Rolle. Es ist klar, dass solche Dinge keine Rolle spielen dürfen. Aber manchmal frage ich mich … Wenn ich nüchtern gewesen wäre. Wenn ich so richtig unsexy angezogen gewesen wäre. Ungeschickt und hässlich. Mit Mundgeruch. Hätte das eine Rolle gespielt? Habe ich zu dem beigetragen … was er getan hat? Aber selbst wenn, es darf doch keine Rolle spielen, was man anhat …«
    Malin seufzt wieder tief, noch immer hat sie die Arme um den Oberkörper geschlungen, wie eine Zwangsjacke.
    »Jedenfalls. Wir haben eine Weile in seiner Küche geredet. Noch mehr Bier getrunken. Und … ja, dann haben wir ein wenig geknutscht, und ich war absolut dabei. Aber plötzlich ist etwas passiert, so als ob er ein anderer geworden wäre. Brutal. Oder ich habe mich verändert. Denn plötzlich wusste ich, dass ich nicht mehr wollte, und das habe ich ihm gesagt. Ich habe gesagt, er solle aufhören, ich wolle nicht mehr. Ich habe es mehrmals gesagt. Vielleicht habe ich geschrien, ich weiß es nicht mehr richtig. Aber er hat mich nur auf den Küchenboden gedrückt und mich festgehalten und mir den einen Arm auf den Hals gelegt und mit der anderen die Finger in mich hineingepresst. Und ich … ich lag da nur, ich konnte mich ja nicht bewegen, konnte kaum atmen. Er war so wahnsinnig stark. Ich meine, ich bin ja auch stark, aber er war … Und er schien wütend auf mich zu sein, mich plötzlich zu hassen, mich umbringen zu wollen. Ich kann nicht begreifen, wo diese Wut herkam, was ich gesagt oder getan habe, um ihn so entsetzlich böse zu machen. Darüber habe ich mir den Kopf zerbrochen. Später, meine ich. Warum er so wütend war. Und dann ist da das mit der Ohnmacht. Ich bin daran gewöhnt, stark zu sein, aber ich lag nur da. Einfach total wehrlos. Habe unter seinen Kühlschrank gestarrt, festgestellt, dass darunter verdammt viel Staub lag, offenbar hatte er seit einer Ewigkeit nicht mehr geputzt. Staub und alte Käserinden und Eispapier. Warum weiß ich das noch? Warum denkt man überhaupt über solche Dinge nach, während …?«
    Sie verstummt plötzlich. Sitzt ganz still da, die Hände auf den Knien verschränkt.
    »Und dann hat er es getan.«
    »Malin, manchmal kann es eine Erleichterung sein, über die Gewalterfahrung ein wenig ausführlicher zu berichten«, sage ich. »Im ersten Moment ist es oft sehr unangenehm, aber auf lange Sicht kann es Ihnen helfen, über die Vergewaltigung hinwegzukommen.«
    Malin nickt stumm. Sie scheint das für keine gute Idee zu halten.
    »Wenn Sie heute nicht mehr darüber reden möchten, können wir auch warten. Sie sollten sich nicht gedrängt fühlen.«
    »Nein, ich will doch. Erzählen, meine ich. Das, er … hat mich da vergewaltigt. Auf dem Boden in der Küche. Und die ganze Zeit hat er geschrien, Nutte, Fotze, solche Sachen. Und da habe ich es begriffen. Dass es ernst war. Dass es wirklich passierte. Irgendwie hatte ich geglaubt, es sei eine Art Scherz, ein bescheuertes Spiel vielleicht. Und doch … obwohl mir klar war, dass es ernst war, hatte ich das Gefühl, gar nicht richtig da zu sein. Es war so, als ob er auf eine andere einschlug. Einen anderen Körper. Ich hatte das Gefühl, an dem kleinen Küchentisch zu sitzen und auf uns herunterzublicken. Und

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