Das Trauma
zu denken: ›Das ist aber überhaupt nicht gut. Ob sie da wohl noch wegkommt?‹ Wie eine verdammte Sportkommentatorin. Ich zog den Schluss, dass er stark und schnell war, ich dagegen … betrunken und blöd. Keine besondere Chance also. Danach – ich weiß nicht, ob es an den Schlägen lag oder etwas anderem, vielleicht war es irgendein Schutzmechanismus – da wurde ich ganz passiv. Er konnte mit mir machen, was er wollte. Und das hat er auch getan.«
Malins Stimme ist zu einem schwachen Flüstern geworden. Ihr Blick haftet am Linoleumboden.
»Er hat mich mehrmals vergewaltigt. Vaginal, anal. Dazwischen hat er mich geschlagen. Nicht so sehr wie am Anfang. Es war so, als ob … als ob seine Energie zu Ende ginge. Er hat mich ab und zu ein wenig geohrfeigt. Ein wenig getreten. Hat mich an den Haaren gezogen. Aber er schien das immer weniger interessant zu finden, je länger es dauerte. Ich lag nur da, in … Blut und … meinem eigenen Urin … und … und …«
»Wie lange hat das gedauert?«, fragt Aina mit erstaunlich fester Stimme.
»Wie lange?« Malin macht ein Gesicht, als ob sie von dieser Frage überrascht wäre.
»Wie lange? Einige Stunden jedenfalls.«
»Einige Stunden, das ist doch der glatte Wahnsinn«, sagt Kattis empört.
»Was ist passiert? Konnten Sie fliehen?«, fragt Sirkka vorsichtig.
»Er ist eingeschlafen. Der Arsch ist eingeschlafen. Können Sie sich das vorstellen? Er ist da auf dem Küchenboden eingeschlafen, und da konnte ich einfach gehen. Und ich habe das Allerklassischste gemacht. Bin nach Hause gegangen und habe mich geschrubbt und geduscht. Versucht, ihn von meinem Körper zu waschen. Aus meinem Körper zu vertreiben. Vier Wochen später habe ich ihn angezeigt. Es gab natürlich keine beweiskräftigen Spuren mehr, keine sichtbaren Verletzungen oder so, aber die Polizei meinte doch, sie hätten einen Fall. Er hatte offenbar ein halbes Jahr zuvor eine Frau belästigt, und die Polizei hatte bei ihm … wie heißt das noch … Rohypnol gefunden. Sie sagten, deshalb sei er so aggressiv gewesen. Deshalb habe er so lange weitermachen können. Rohypnol zusammen mit Alkohol hat offenbar diese Wirkung. Aber ich frage mich ja doch. Ob man das sozusagen in sich hat. Anderen so etwas anzutun, einem anderen Lebewesen. Ist man dann nicht von Anfang an ein Monster? Ich glaube nicht, dass es an Drogen liegt. Ich glaube, er … ist schlecht. Und danach, vor Gericht, gab es verdammt viel Gerede darüber, wie er als Kind zu Anfang der neunziger Jahre in Hagsätra von älteren Kindern belästigt worden ist. Als ob das ansteckend wäre. Als ob das eine Entschuldigung wäre. Mir ist das doch scheißegal! Sie haben gesagt, deshalb stünde er auf harten Sex. Das hat er nämlich gesagt, wir hätten schon früher Sex gehabt, und es sei immer brutal zugegangen. Und ich hätte das toll gefunden, hätte mitgemacht, hätte es sogar gewollt. Danach haben die Schweine unsere SMS benutzt, um zu beweisen, dass wir eine Beziehung hatten. Und natürlich, es gab ja auch welche, wo ich so irgendwie halb sexy geschrieben hatte, aber … jedenfalls. Dann passierte das, was nicht passieren dürfte. Seine Kumpels aus Gustavsberg haben ihm für den Abend ein Alibi gegeben, haben gesagt, sie wären zusammen im Kino gewesen, und sie wüssten, dass wir eine Art Beziehung gehabt hätten. Eine Fickbeziehung, so haben sie es genannt. Wie kann man so etwas tun? Wie kann man bei so etwas lügen, so ein … Monster beschützen? Er wurde freigesprochen. Ich sehe ihn sogar ziemlich oft. Vor ein paar Monaten sind wir uns in einem Laden in der Innenstadt über den Weg gelaufen. Er winkte und grinste, als ob wir alte Bekannte wären, so ungefähr.«
Malin legt eine kurze Pause ein und fügt hinzu:
»Ich wünschte, ich hätte ihn umgebracht, hätte alles verhindert. Oder dass er mich umgebracht hätte.«
»Warum sagen Sie so was?«, fragte Sofie, abermals unheimlich behutsam.
»Weil er etwas in mir zerstört hat. In meiner Seele, sozusagen. Er hat etwas weggenommen. Etwas, das niemand nehmen darf. Er …«
Malins Stimme versagt.
»Was hat er Ihnen weggenommen, was glauben Sie?«, fragt Sirkka und beugt sich vor, so dass ihre trockenen roten Haare im Schein der Deckenlampe leuchten wie ein Heiligenschein aus Flammen.
»Er hat …«
Malin schnieft jetzt, wischt sich mit dem Handrücken Rotz ab und schüttelt langsam den Kopf.
»Er hat mir das Kind genommen, das Kind, das ich auf irgendeine Weise war. Er hat all mein Vertrauen
Weitere Kostenlose Bücher