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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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Boden an. Verstummt.
    »Es eilt doch nicht«, sagt Aina. »Wir haben Zeit genug.«
    Kattis lacht, aber diesmal ist es ein trockenes, trauriges Lachen.
    »Es ist so verdammt schwer zu sagen, wie es angefangen hat. Es ist wie diese Geschichte mit dem Frosch, ihr wisst schon, der in einen Topf mit kochendem Wasser gesetzt wird und dann sofort wieder rausspringt. Aber wenn man ihn in kaltes Wasser setzt und das dann langsam erwärmt … ich meine, dass es langsam angefangen hat. Er wollte irgendwie immer wissen, was ich mache, mit wem ich mich treffe. Dann wollte er nicht, dass ich mich mit anderen Männern treffe, nicht einmal bei der Arbeit. Er bekam Wutanfälle, behauptete, dass ich ihn hintergehe, nannte mich eine verdammte Hure. Sagte, niemand würde mich jemals haben wollen. Ich sei hässlich, fett und dumm. Wertlos. So. Als er mich zum ersten Mal geschlagen hat, war das nicht sonderlich … überraschend. Es war nur logisch. Und ich hatte schon so eine verdammte Gehirnwäsche hinter mir, ich dachte irgendwie, ich hätte es verdient. Weil ich ihn provoziert hätte. Weil ich lernen müsste, anders zu sein. Besser.«
    Sie verstummt und sitzt still da, den Blick nach vorn gerichtet, in Ainas Richtung, scheint sie aber nicht zu sehen. Sie seufzt und redet weiter.
    »Wir waren ein Jahr zusammen. Und in diesem Jahr … ich weiß nicht. Es ist so, als ob dieses Jahr mich durch und durch verändert hätte. Mich zu einer anderen gemacht hätte. Manchmal kann ich mich kaum erinnern, wer ich damals war. Vor Henrik. Aber sie fehlt mir. Ich will sie zurückhaben. Ich will wieder die alte Kattis sein.«
    Sie schüttelt den Kopf und schaut zu Boden. Sie sieht beschämt aus. Beschämt und unendlich traurig.
    »Aber jetzt haben Sie ihn doch verlassen!« Hillevi legt Kattis die Hand auf die Knie, und ich kann sehen, wie Kattis bei dieser Berührung zusammenzuckt, wie verbrannt.
    »Ja, aber das Schlimmste von allem …« Kattis starrt noch immer den Boden an, als hätte sie Angst davor, was unsere Blicke zeigen werden, als fürchte sie, von uns verurteilt zu werden. »Also … das Schlimmste von allem war, dass ich ihn nicht verlassen wollte. Verdammt …« Sie schlägt die Hände vors Gesicht. »Nicht ich habe ihn verlassen. Er hat mich sitzenlassen, und das hat so wahnsinnig wehgetan. Er hat aufgehört, mich zu lieben, und ich hatte das Gefühl zu verschwinden. Als ob ich ohne ihn nicht da wäre, ohne ihn nicht existieren könnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das so wehtun könnte. Ich meine … rein logisch hatte ich doch begriffen, dass er ein Schwein war und dass ich froh sein müsste, weil endlich Schluss war, aber gerade da … da hatte ich das Gefühl zu sterben. Verstehen Sie?«
    Sie schaut vorsichtig auf, ihr Blick streift fast unmerklich jede von uns. Ich vermute, dass sie unsere Reaktionen abliest, nach Anzeichen für Misstrauen oder Abscheu sucht. Plötzlich sieht sie ein wenig ruhiger aus, vielleicht hat sie nicht das gesehen, was sie befürchtet hatte.
    »Das ist doch das Schlimmste, das, was ich mir nicht verzeihen kann. Dass ich nicht wollte, dass es aufhörte, obwohl er doch so war, wie er eben war.«
    »Aber wie ist es denn jetzt? Lieben Sie ihn noch immer?« Sofie stellt die Frage, ohne zu urteilen, sie ist einfach neugierig. Wagt, das zu fragen, was wir alle wissen möchten.
    »Nein.« Kattis deutet ein Lächeln an und sieht müde aus. »Nein, jetzt bin ich unendlich dankbar dafür, dass Schluss ist. Und das Ironische an der Sache ist, dass er mich jetzt wieder will. Er ruft an, wenn er getrunken hat, und will sich mit mir treffen, will reden. Und wenn ich Nein sage, wird er böse. Sagt, dass er mich umbringen wird und so. Und … ab und zu glaube ich ihm. Ich glaube wirklich, dass er das eines Tages tun wird.«
    »Das dürfen Sie nicht denken, nein, wirklich nicht«, sagt Hillevi, ihre Hand ruht noch immer auf Kattis’ Knie.
    »Er hat jetzt eine Neue, hab ich das erzählt? Ich glaube, sie wohnen zusammen, und … ich weiß nicht. Wenn er sich mit ihr gestritten hat, dann ruft er bei mir an. Redet darüber, wie schön das mit uns war, redet über das Gefühl, das nur wir beide hatten. Sagt, es war etwas Einzigartiges, etwas Besonderes … und wenn ich sage, er soll mich in Ruhe lassen, dann ist er wie ausgewechselt. Nennt mich eine verdammte Hure. Will mich umbringen. Ich begreife ja langsam, dass er ein echter Psychopath ist, dass er eigentlich für keinen anderen Menschen Gefühle hat, dass er nur

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