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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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noch leben. Und dein Kind würde vielleicht mit den Zwillingen Fußball spielen. Sie wären gleich alt.
    Und deshalb hat Roger Johansson beschlossen, sich nicht mehr um die kleinen Dealer zu kümmern, sich nicht mehr um den Abschaum zu bemühen.
    Jetzt betritt Sonja Askenfeldt das Vernehmungszimmer. Setzt sich Marek gegenüber, kehrt Roger den Rücken zu. Sammelt ihre Papiere zusammen. Greift mit ihren knochigen Fingern nach ihrem Kugelschreiber. Beginnt die Vernehmung, indem sie Namen und Datum hinkritzelt. Sie hat ihre dunklen, brüchigen Haare zu einem wirren Knoten aufgesteckt. Am Gummi baumelt etwas, das wie ein kleiner Schmetterling aussieht. Hat sie sich ein Haargummi von ihrer Tochter geliehen?
    Sonja ist in Ordnung. Sie ist zuverlässig und methodisch und kenntnisreich auf eine Weise, die man nur noch selten sieht. Und sie hat Menschenkenntnis, ist eine ausgefuchste Vernehmerin. Die Jungs und Mädels, die direkt von der Polizeischule kommen, wissen alles über kriminaltechnische Untersuchungen, Designerdrogen und Ehrenkodexe. Aber sie können keinen Verdächtigen vernehmen, nicht einmal einen Sechzehnjährigen.
    Vor allem keinen Sechzehnjährigen.
    »Am Abend des 22. Oktobers hast du dich in der besagten Wohnung aufgehalten. Was hast du dort gemacht?«
    »Aber das habe ich doch schon gesagt. Ich habe Reklame verteilt. Warum fragen Sie?«
    Marek sieht nervös aus, er hat die Arme defensiv vor seinem Körper verschränkt. Trommelt mit den Fußsohlen auf den Boden.
    »Und was für Reklame hast du da ausgeteilt?«
    »Wieso? Reklame eben.«
    »Wofür denn?«
    »Äh, ICA und noch etwas anderes. Weiß ich nicht mehr.«
    »Für welche Firma arbeitest du?«
    »Firma?«
    »Ja, du hast doch die ICA -Reklame sicher nicht auf eigene Initiative aus dem Laden auf dem Markt geholt.«
    »Ach, so ist das gemeint. Schwedische Werbeverteilung heißen die. Glaub ich.«
    Sonja macht sich eine Notiz und streicht sich einige dunkle Strähnen aus dem Gesicht.
    »Und was passiert, als du vor Susanne Olssons Tür ankommst?«
    »Die war offen.«
    »Offen? Wie denn? Weit offen oder nur ein wenig offen?«
    »Na ja, nur ein bisschen eben. Ich habe das gemerkt, als ich die Reklame einstecken wollte.«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Ich habe die Tür geöffnet.«
    Sonja trommelt ungeduldig mit dem Kugelschreiber auf ihren Unterlagen.
    »Warum das denn?«
    »Um … die Reklame reinzulegen.«
    »Aber die hättest du doch in den Briefkasten stecken können?«
    »Ich wollte nicht, dass …«
    »Was denn?«
    »Die Tür hätte zufallen können und …«
    »Ach. Und?«
    »Ja, ich dachte, vielleicht hätte jemand die offen haben wollen.«
    Sonja verstummt wieder und macht sich weitere Notizen, schaut die kleinen kantigen Buchstaben an, die Roger so gut kennt.
    Früher einmal hat er sie hübsch gefunden. Ehe sie so mager wurde, ehe die Haare ihren Glanz verloren und die Haut über den Wangenknochen sich spannte und wie Leder wurde. Jetzt spürt er nichts, wenn er sie ansieht. Verspürt keine Lust, sich an diesem knochigen Hintern zu reiben, diese schmalen, nach Nikotin riechenden Lippen zu küssen.
    Gerüchte behaupten, ihr Mann habe sie wegen einer dreiundzwanzig Jahre alten Zahnhygienikerin aus Riga verlassen. Er selbst hat keine Ahnung. Hat sie nie gefragt. Sie arbeiten seit zehn Jahren zusammen, aber er hat sie nie gefragt. Gewisse Dinge müssen privat bleiben. Vor allem in diesem Job.
    »Und was hast du gesehen, als du die Tür geöffnet hast?«
    »Ja, da hab ich sie gesehen. Die Brieftasche, meine ich.«
    »Du hast sonst nichts gesehen, nichts gehört?«
    »Nein, es war dunkel. Ich habe Musik gehört.«
    Sonja nickt.
    »Und da hast du also die Brieftasche genommen?«
    »Ja, das hab ich doch schon gesagt. Warum fragen Sie das noch mal?«
    »Ich stelle hier die Fragen. Antworte jetzt. Warum hast du die Brieftasche genommen?«
    Marek murmelt etwas Unverständliches.
    »Sprich so laut, dass ich es hören kann, du bist jetzt nicht zu Hause bei deiner polnischen Mutter.«
    »Ich wollte nur nachschauen.«
    »Warum das?«
    Marek zuckt mit den Schultern.
    »Antworte auf meine Frage.«
    »Okay, ich dachte, da wäre vielleicht Geld drin.«
    »Das du dann einstecken wolltest.«
    »Ich weiß nicht. Ich hab nicht nachgedacht. Okay. Ich habe … es eben genommen. So.«
    Marek wird so laut, dass seine Stimme laut und schrill wird, und durch die Glasscheibe ahnt Roger, dass seine bleichen Wangen sich röten.
    »Das kleine Mädchen sagt, der, der ihre

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