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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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Schreit laut.
    »Papa, da war ein Löwe vor meinem Fenster!«
    »Aber Liebes …«
    Er streckt die Arme nach ihr aus, um sie hochzuheben, aber sie ist schneller, rennt zum Wohnzimmer. Er läuft hinterher.
    »Liebling, es gibt keine Löwen.«
    »Gibt es wohl. Hab ich gesehen.«
    »Ja, ja. Aber es gibt keine Löwen hier, in Gustavsberg. In Schweden. Es ist zu kalt hier, die … sterben.«
    Seit sie diesen Naturfilm über Löwen im Fernsehen gesehen hat, hat sie Angst. Wie können die zur besten Sendezeit so was bringen? Das begreift er einfach nicht. Tiere, die einander zerreißen, ist das etwa kindgerechte Unterhaltung?
    Tilde setzt sich auf das Ledersofa. Schlingt die Arme um die Beine, bohrt die Nase zwischen ihre Knie.
    »Ich hab im Fenster einen Löwen gesehen. Hab ich gesehen, gesehen, gesehen.«
    »Na gut, sollen wir dann hingehen und gucken, ob der Löwe jetzt weg ist? Sollen wir zusammen nachsehen?«
    Sie schaut zu ihm auf, fängt seinen Blick ein und nickt stumm.
    Sie stehen vor der schwarzen Fensterscheibe. Er trägt sie auf der einen Hüfte und staunt darüber, wie leicht sie ist. Ein Kind, so wichtig, aber nur so leicht.
    Ein Hauch von kalter und feuchter Luft dringt durch das Fenster, das sich nicht richtig schließen lässt und das er reparieren muss, sowie es wieder warm und hell genug wird.
    »Siehst du, keine Löwen.«
    Sie schaut misstrauisch aus dem Fenster, beugt sich vor, so dass ihr Atem feuchte Flecken auf die Glasscheibe malt.
    »Oder was?«
    Sie scheint zu zögern, kratzt sich ein wenig mit einer schmutzigen Hand in den Haaren. An den Nägeln sitzen noch immer Reste von Susannes hellrosa Nagellack.
    Er fragt sich, ob er wohl jemals lernen wird, solchen Mädchenkram mit ihr zu machen. Die kleinen Nägel zu lackieren, Schleifen in die Haare zu binden. Zu wissen, welche Jeans die richtige ist.
    »So, und jetzt musst du wirklich schlafen.«
    »Papa?«
    »Jaaa?«
    »Du musst versprechen, mich nie zu treten.«
    Er erstarrt mitten in einem Schritt.
    »Aber Herzchen, was sagst du denn da? Natürlich werde ich dich niemals treten. Schlaf jetzt.«
    Sein Herz hämmert wie wild, und er merkt, wie ihm der Schweiß auf die Schläfen tritt.
    Vorsichtig legt er sie in ihr Bett, das auch ein Sofa ist.
    Das eigentlich ein Sofa ist.
    Schleicht sich dann auf wackligen Beinen aus dem Zimmer und zieht die Tür zu. Kehrt zurück zum Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit, schaltet den Fernsehsport ein, um zu sehen, wie Federer mit Söderling die Bahn wischt. Denkt an Phuket, an das lauwarme salzige Meerwasser, an alles, worauf er verzichten muss.
    Er beschließt, dass er sich noch ein Glas gönnen kann.
    Er erwacht, weil er friert. Der Fernseher läuft noch immer, und er kann sehen, wie eine Frau und ein Mann lächelnd eine Art schwarzen Diättrunk zu sich nehmen. Sie sind schlank und braungebrannt und sehen fröhlich und erfolgreich aus.
    Kalte Luft fegt durch den Raum, und seine Glieder fühlen sich seltsam abgestorben an, als er versucht, sich aufzusetzen. Sein Kopf dröhnt, und eine Welle des Unwohlseins spült über ihn hinweg.
    Steht die Tür offen?
    Er greift nach der Fernbedienung und schaltet den Fernseher aus. In der nun folgenden Stille kann er ein leichtes Pochen hören, als ob die Tür im Wind schlägt.
    Langsam geht er hinaus in die Diele.
    Was zum Teufel?
    Kalte Luft fegt ihm um die Beine, und er schaut verwirrt seine Füße an, als läge dort das Problem. Auf dem kalten Klinkerboden vor ihm.
    Poch, poch.
    Dann plötzlich bildet sich ein Gedanke oder vielleicht eine Art primitiver Erkenntnis.
    Er geht zu Tildes Tür und öffnet sie. Und im selben Moment rauschen alle Waldgeräusche ins Haus, überschütten seine Gedanken, ertränken sein Bewusstsein.
    Eiskalte Luft wirft die Vorhänge gegen die Wände wie zerfetzte Segel. Laub wirbelt über den Parkettboden, klebt an seinen Knöcheln.
    Die Fensterscheibe schlägt gegen die Wand.
    Poch, poch.
    Er schaut zum Sofa hinüber, wo der militärgrüne Schlafsack als Haufen in einer Ecke liegt.
    Tilde ist verschwunden.

Medborgarplatz, November

Es ist ein seltsames Gefühl, wieder ein Gruppentreffen vorzubereiten. Aina kommt ausnahmsweise einmal pünktlich, und zusammen stellen wir Tisch und Stühle bereit. Einen Stuhl weniger. Heute werden wir darüber reden, was geschehen ist. In Worte fassen, verstehen, erklären.
    »Ab und zu hab ich das alles so satt. Alles, was wir tun. Glaubst du wirklich, dass es etwas bringt? Dass wir etwas verändern? Es sind

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