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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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aus dem Kabinett der Madame Tussaud, dann würden sie begreifen, wer Carmen Maria Mory ist. Würden kapieren, daß man mit ihr nicht einfach so umspringen kann, wie es der Augenblick zu gestatten scheint. Ach, wieder einmal die alte Macht verspüren, neue Macht gewinnen!
    ». . . ist es Abenteuerlust, oder ist es Geltungsbedürfnis?« fragte sich ein deutscher Journalist, nachdem er die Mory einige Tage lang im Gerichtssaal beobachtethatte. Was war die Triebkraft ihres »katzenhaft wilden Lebens«?
    Tagelang saßen sie da nun nebeneinander, ein paar Frauen und Männer, und boten keinen schönen und schon gar keinen vertrauenerweckenden Anblick. Starrten stur vor sich hin, dumpf und stumpf. Konnten schlecht ihre Angst und Unruhe verbergen. Zuckten zusammen, wenn die Zeuginnen aufgerufen wurden. Brachten es mitunter auch fertig, herausfordernd den Kopf zu heben. Ein paar Frauen und Männer, vierschrötige, fast eckige und erschreckend nackte Gesichter. Rothaarig, mit hervortretenden Kiefern Ludwig Ramdohr, der Leiter der Kriminalabteilung von Ravensbrück, wohlgesinnter Chef und Vorgesetzter der Mory. Hübsch, noch jung, blond, die Oberaufseherin Dorothea Binz, der Schlimmstes zur Last gelegt wurde.
    »Wußten Sie, daß die Angeklagte Dorothea Binz Hunde hatte?« fragte Major Stewart, der die Anklage vertrat, Carmen Maria Mory.
    »Gewiß«, antwortete die, »sie hatte einen deutschen Jagdhund und einen Miniatur-Foxterrier.«
    »Das wissen Sie bestimmt?«
    »Aber sicher. Dem Jagdhund habe ich den Schwanz abgehauen.«
    Fertig. Kein Wort zuviel und keines zuwenig. Sie sagte es ruhig, mit ihrer rauhen, etwas schrill gefärbten Stimme. Der weißbehelmte junge Soldat hinter ihr drehte unwillkürlich den Kopf weg. Als sie selbst an die Reihe kam, die Blockälteste von Nr. 10, der schwarze Engel des Todes, als das Verhör begann, stand sie zuerst kühl, eher unmutig als beunruhigt, vor den Richtern. Ein fataler Irrtum, schien ihre hochfahrende Art zum Ausdruck zu bringen. Begriff das denn niemand hier?
    Niemand schien das zu begreifen. Eine Schlinge, so dünn, daß die Mory es zunächst nicht wahrhaben wollte, zog sich allmählich um sie zusammen. Früher hatte sie lediglich Berichte geschrieben. Für die Deutschen, für die Franzosen. Ein Blatt Papier in der Maschine, vollgetippt, in einen Umschlag gesteckt und Schwamm darüber. Andere hatten zu entscheiden, was weiter geschehen sollte. Nunmehr war alles anders. Diesmal hatte sie mitentschieden. Die und die. Du kommst mit und du auch. Los, Los! Die hier muß nicht mehr essen. Die hier soll nicht mehr leben.
    »Lüge«, schrie sie mit einemmal vor Gericht. »Nichts ist wahr, die wollen sich bloß rächen.«
    Rächen? Wer und wofür, wenn wahr sein sollte, daß sie an nichts Schuld trug?
    Sie habe wohl jede Chance genützt, um immer an der Spitze, immer obenauf zu sein, bemerkte der Ankläger.
    Die Mory schrie von neuem, wild. »Chance, sagen Sie? Meine größte Chance in Deutschland wäre gewesen, das Angebot Heydrichs anzunehmen und mit William Joyce für die Auslandspropaganda zu arbeiten. Daß ich dies nicht tat, brachte mich für Jahre ins Konzentrationslager.«
    Die Richter blieben ungerührt. Wo war der Beweis für dieses Angebot? Wo war der Beweis seiner Ablehnung? Heydrich hatten die Tschechen noch während des Krieges hingerichtet. William Joyce war als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt worden. Und sie selbst, die Mory? Wie ein Häftling habe sie sich ja nun nicht gerade aufgeführt.
    Die Anklage ging zum Verhör der Zeugen über.
    Und abermals wurde es still, auf ganz besondere Weise still im Curio-Haus zu Hamburg.
    Die Frauen aus Ravensbrück betraten den Zeugenstand.
    ». . . sie stahl den Gefangenen einen Teil ihres Essens und hielt Medikamente zurück«, sagte die Französin Jacqueline Hereil aus. Und eine endlose Reihe von Frauen, durchsichtig und bleich wie Herbstlaub im Wind, schien stumm hinter ihr in den Saal getreten zu sein.
    »Sie lügt!« schrie die Mory.
    »Sind es Polinnen, hat sie mich gefragt«, führte die Ärztin Dr. Louise le Porz an. »Die können krepieren, Jüdinnen können auch krepieren. Eine Französin? Die wollen Sie ja nur pflegen, weil Sie selbst eine sind.«
    »Sie lügt!« schrie die Mory abermals. »Alles ist gelogen!«
    Als die Krankenschwester Violette le Coq aussagte, geriet die Angeklagte völlig aus der Fassung.
    »Alles, was sie sagt, ist gelogen! Sie lügt vom Anfang bis zum Ende!«
    Denn die Mory wußte, nun würde auch von

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