Das Treffen in Telgte
ehrlich, das sollte heißen, karg zu tischen – wollten die versammelten Poeten jeder in seine Richtung aufbrechen.
Endlich kam Plan in das Chaos. Weil Simon Dach seinen Namen so schutzreich auszulegen verstand, waren wir wieder guten Mutes und grüppchenweise witzig. Schon kam kleiner Übermut auf – es wollte der junge Birken zum Abschluß den guten Dach bekränzen –, da brach Laurembergs Zuruf, an welchem Bettpfosten sich die Wirtin ihr Auge gebläut hätte, das Elend vom Vortag abermals auf.
Nach allzu langem Stau sprach die Libuschka: Kein Bettpfosten, des Gelnhausen trefflicher Mannesmut habe ihr das gefügt. Die Herren hätten wohl immer noch nicht begriffen, wie übel ihnen der Bauernlümmel mitgespielt habe. Was dem aus dem Maul spaziere, sei alles Lüge aus Lügengespinst, sogar sein Geständnis, das er dem Sagittario abgelegt habe. Nicht dem Schwed hätten des Gelnhausen Reiter und Musketiere die Fourage abgejagt, sondern höchst eigenhändig, dabei mörderisch wie gelernt, habe der ach so witzig parlierende Landstörtzer seinem Ruf Ehre gemacht. Von Soest bis Vechta fürchte man den Grünwams. Dem bitte keine Jungfrau Schonung ab. Dessen Methode bringe selbst Stumme zum Reden. Das Kirchensilber, übrigens, die Altartücher und der Meßwein seien dem Coesfelder Hurenkloster abgegaunert gewesen. Trotz hessischer Besatzung finde ein Wiesel wie Gelnhausen überall durch. Dessen Partei sei zwischen den Lagern. Der schwöre nur auf die eigene Fahne. Und wenn der Herr Harsdörffer immer noch glaube, es hätte der päpstliche Nuntius persönlich das Büchlein mit den spielerischen Frauenzimmergesprächen dem Stoffel auf den Weg gegeben, damit der Autor es dediziere, dann müsse sie ihm den eitlen Zacken brechen: bestochen vom Gelnhausen habe ein Diener der Nuntiatur das Exemplar aus der Bibliothek des Kardinals gestohlen. Nicht mal aufgeschnitten sei es gewesen. So fein spinne der Gelnhausen sein Lügengarn. So haltbar leime der Kerl seit Jahren die fürnehmsten Herren. Sie wisse es leidvoll: kein Teufel könne ihm gleich!
Nur mit Mühe gelang es Dach, die allgemeine, seine eigene Betroffenheit ein wenig zu lockern. Harsdörffer hing durch. Zorn verdüsterte den sonst gleichmütigen Czepko. Hätte nicht Logau abwiegelnd bemerkt, daß sich gleich und gleich, wie Teufel und Köhler, gern geselle, wäre abermals ein längerer Disput zu befürchten gewesen. Dankbar klatschte Dach in die Hände: Genug jetzt! Er werde den Anwürfen nachgehen. Auf eine Lüge passe sich leicht die nächste. Er wünsche, daß sich jedermann dem neuerlichen Lärm verschließe. Ab jetzt werde man nur noch der eigenen Sache das Ohr leihen, sonst komme ihnen die Kunst abhanden.
Deshalb wollte Dach zuerst ärgerlich werden, als sein Albert plötzlich Greflinger in die Kleine Wirtsstube führte. Schon begann er den langsträhnigen Burschen mit Vorwürfen einzudecken – Was er sich denke! Wo er gesteckt habe? Ob etwa er an Weckerlins Geldsack zum Dieb geworden sei? –, da sah er mit allen, was Greflinger in zwei Kübeln gebracht hatte: Barben, Plötzen und weitere Fische. Mit dem Netz und den Angelschnüren behängt – die habe er am Vortag bei der Witwe des Telgter Stadtfischers geliehen – stand der junge Mann wie gemalt zwischen ihnen: Er habe die ganze Nacht gefischt. Selbst die Donau führe nicht bessere Barben. Rösch gebraten werde sogar der grätige Plötz schmecken. Das alles könne man mittags tischen. Und wer ihn jetzt noch einen Dieb heiße, dem werde er gutdeutsch kommen.
Danach wollte niemand Greflingers Fäuste herausfordern. Man freute sich auf den ehrlichen Fisch. Hinter Dach zogen sie alle in die Große Diele, wo ihr Sinnbild, die Distel, neben dem leeren Schemel stand.
19
Keiner zögerte. Alle und nun auch Gerhardt standen für den notfalls ertrotzten Fortgang ihrer literarischen Sache. Der Krieg hatte sie gelehrt, mit Widrigkeiten zu leben. Nicht nur Dach, niemand wollte sich aus dem Konzept bringen lassen: Zesen und Rist nicht, sosehr sie als sprachreinigende Puristen zerstritten waren; die Bürgerlichen und die vom Adel nicht, zumal sich unter Dachs Vorsitz die ständische Ordnung selbsttätig um ihr starres Gefüge gebracht hatte; keiner wollte das Treffen auffliegen lassen: nicht der unbekannte Scheffler, nicht der streunende, immer wieder jedem Verdacht ausgesetzte Greflinger, selbst Schneuber nicht, der im Auftrag des nicht eingeladenen Magisters Rompler den Ansatz für Intrigen suchte; schon gar nicht
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