Das Treffen
glaube, da hat mich gerade etwas angeknabbert.«
Obwohl sie nur herumalberten, erinnerten ihre Späße Abilene daran, dass sie sich nackt in einem unbekannten Gewässer befanden. Mit beiden Händen über dem Kopf fühlte sie sich unbehaglich und sehr verwundbar. Sie rechnete damit, dass sich jeden Augenblick etwas Glitschiges um ihren Körper schlängeln würde. Als sie Helen in die bogenförmige Öffnung folgte, presste sie Oberschenkel und Hinterbacken zusammen und machte kleine Schritte, so als ob ihre Knie zusammengebunden wären.
Bis jetzt schreit niemand, sagte sie sich. Wird schon schiefgehen.
Eigentlich hörte sie bis auf das sanfte Schwappen des Wassers überhaupt kein Geräusch aus dem Inneren.
Dann passierte sie die Öffnung.
Cora, Vivian und Helen hatten sich im Raum dahinter verteilt. Sie wateten durch das brusthohe Wasser und sahen sich langsam um, dabei wirkten sie wie ein seltsames Touristentrio, das ein beeindruckendes Bauwerk bewundert.
Abilene ging weiter. Sie hörte, wie Finley hinter ihr die Kamera anschaltete. Das leise Summen wirkte in der Stille mit einem Mal ziemlich laut. Aber niemand drehte sich um, oder protestierte.
Abilene watete staunend zum gegenüberliegenden Rand des Beckens.
Der Raum erinnerte sie an die Hallenbäder in Illinois, wo sie vor ihrem Studium in Kalifornien die Highschool besucht hatte. Dieselbe stickige Luft, dieselbe Akustik, die jedes noch so kleine Geräusch, ja selbst das Plätschern des Wassers, unheimlich verstärkte.
Aber die Becken in Illinois waren doppelt so groß und längst nicht so warm gewesen. Außerdem hatte es dort nach Chlor gerochen. Hier dagegen lag Schwefel in der Luft.
Ohne die frische Luft, die durch die zerbrochenen Fensterscheiben nahe der Decke zu beiden Seiten des Beckens strömte, wäre der Gestank wohl unerträglich gewesen. Die Fensterreihe an der Rückwand hatte sie bereits von der Veranda aus bemerkt. An der gegenüberliegenden Seite befanden sich weitere Fenster, durch die goldenes Sonnenlicht, in dem Staubflocken tanzten, in scharfem Winkel in den Raum fiel. Wo das Licht auf die Oberfläche traf, glänzte das Wasser wie Honig.
»Schau mal«, sagte sie zu Finley und deutete auf das Schauspiel.
»Ja. Unglaublich.«
Obwohl sie flüsterten, hallten ihre Stimmen laut durch den Raum.
Helen wandte sich zu ihnen um. Sie sah sehr selbstzufrieden aus. »Hat sich der Ausflug doch gelohnt, meint ihr nicht?«
»Auf jeden Fall«, sagte Abilene. »Es ist wunderbar.«
»Wirklich nett«, musste sogar Vivian zugeben.
»Nachts muss es erst toll hier sein«, sagte Cora.
»Nachts ist es dunkel hier«, entgegnete Vivian, deren Begeisterung wieder verflogen zu sein schien. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke auf. »Wenn diese Lichter funktionieren würden …«
»Ohne Lampen ist es doch viel besser.«
»Richtig unheimlich « , sagte Helen.
Während Abilene ebenfalls die Lampen über sich betrachtete, bemerkte sie, dass die geflieste Decke leicht schräg auf eine rechteckige Öffnung in ihrer Mitte zulief. Sie machte einige Schritte, um besser in das Loch spähen zu können. Als sie sich der Mitte des Beckens näherte, schien die Strömung stärker und das Wasser wärmer zu werden. Dann trat sie auf etwas, das sicher kein Granit war. Eisenstangen? Schnell zog sie die Füße zurück und schaute ins Wasser vor sich.
In den Boden des Beckens waren gekreuzte, fast einen Meter lange Metallstangen eingelassen. Wie eine Falltür bedeckten sie eine quadratische Öffnung. Darunter konnte sie einen in Stein gehauenen Tunnel erkennen, der sich nach unten verengte und sich schließlich in der Dunkelheit verlor.
Mit einem Fuß überprüfte sie die Stabilität der Stangen, hielt sie für robust genug und stellte sich darauf. Die warme Strömung strich ihre Beine entlang und schmiegte sich sanft um Hüfte und Po. Sie ging leicht in die Hocke, damit das Wasser auch ihre Brüste massieren konnte.
Einige Augenblicke später erinnerte sie sich an das Loch in der Decke und schaute hinauf. Sie stand direkt unter der Öffnung, die wie ein Kamin wirkte, der bis zum Dach reichte. Weit über sich konnte sie einen winzigen Flecken Tageslicht erkennen.
»Wozu ist denn das Loch da?«, fragte Finley neben ihr.
»Vielleicht zur Belüftung.«
»Könnte sein.«
»So was braucht man wohl, wenn man ein Haus auf einer Thermalquelle baut.«
Finley richtete die Kamera nach oben. »Dass da kein Schnee oder sonst was reinfällt …«
»Ist bestimmt
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