Das Treffen
gefällt mir überhaupt nicht«, wandte Abilene ein.
»Ach, er ist gar nicht so schlimm«, sagte Vivian. »Und für die Rolle ist er ideal.«
»Du gehst nur nach dem Aussehen«, sagte Abilene.
»Also gut«, sagte Finley. »Warum sprichst du ihn nicht mal an, Viv? Frag ihn, ob er Interesse hat. Und ob er sich am Wochenende freimachen kann.«
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Abilene, während sie mit Harris zu einer abgelegenen Lichtung in der Nähe der Shady-Lane-Brücke spazierte, die Finley für die Eröffnungsszene gewählt hatte. Sie fragte sich, ob sie nervös genug klang. Sie fühlte sich auf jeden Fall nervös. Schon der Gedanke, vor der versammelten Mannschaft mit Harris herumzumachen, stieß ihr sauer auf. Und jetzt war auch noch Baxter ins Spiel gekommen.
»Was meinst du?«, fragte Harris. Er blieb stehen, sah Abilene an und ergriff ihre Hände.
Sie sah sich verlegen um. »Es ist so … verlassen hier.«
Klar. Verlassen. Finley hatte die Videokamera vors Auge geklemmt, Cora, Vivian und Helen beobachteten sie aus dem Schatten eines nahe gelegenen Baumes, und Baxter spielte mit dem Gummimesser, das Vivian aus der Requisitenabteilung ausgeliehen hatte. Wenigstens starrt er mich nicht an, dachte sie.
»Aber es soll doch verlassen sein«, sagte Harris. »Darum geht's ja gerade.«
»Ich weiß, aber … Vielleicht sollten wir wieder in die Wohnung gehen.«
»Damit deine verdammte Nachbarin alles durch die Wand hört?«
Abilene lächelte. »Sie ist nicht da. Sie geht heute Abend ins Kino. Wir sind ganz allein.«
»Mir gefällt's hier.« Harris nahm sie sanft in den Arm und begann, an ihrem Nacken zu knabbern. Das stand so nicht im Drehbuch. Sie wand sich in seinen Armen. »Hier ist es viel schöner«, flüsterte er, »als in einem stickigen Zimmer.«
»Und wenn jemand vorbeikommt?«
»Du machst dir zu viele Gedanken.« Während er sich noch an ihren Hals schmiegte, zog er ihr die Rückseite der Bluse aus dem Rock und schob seine Hand darunter.
»Nicht«, sagte sie und schob ihn sanft von sich. »Bitte. Nicht hier.«
Harris runzelte die Stirn. »Was ist denn los mit dir?«
»Ich weiß nicht. Es ist nur … ich habe Angst vor dem Sensenmann.«
»Dem Sensenmann? Himmel! Das ist ja eine richtige Krankheit. Es ist helllichter Tag. Außerdem ist der in Portland. «
»Das ist nur eine halbe Stunde von hier.«
Harris seufzte. »Scheiße. Also gut. Vergiss es.« Er wirbelte herum und stolzierte beleidigt davon. Finley machte einen Schritt zur Seite, damit sie seinen Abgang besser filmen konnte.
»Nein, warte!« Finley schwenkte die Kamera auf Abilene. »Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt. Bitte. Ich …« Sie schüttelte den Kopf, rannte ihm hinterher und griff nach seiner Schulter. Als er sich umdrehte, schlang sie ihre Arme um ihn, drückte ihn fest an sich und küsste ihn.
Im ersten Moment versteifte er sich und presste die Lippen zusammen, als wäre er immer noch verärgert.
Du bist ja ein richtig guter Schauspieler, dachte Abilene.
Dann öffneten sich seine Lippen. Er umarmte sie und streichelte ihren Rücken. Er drückte seinen Körper fest gegen den ihren und ließ seine Zunge tief in ihren Mund gleiten. Abilene nahm sie begierig auf. Er knetete ihre Hinterbacken, dann wanderten seine Hände langsam und zärtlich über ihren Rücken.
Für einen Augenblick vergaß Abilene alles um sich herum. Vergaß die Kamera und die Zuschauer, alles – bis auf Harris. Das vertraute Gefühl seiner Nähe, ihr Verlangen. Aber als seine Hände über den Verschluss ihres BH glitten, ohne ihn zu öffnen, holte die Realität sie wieder ein. Sie wurde rot vor Scham.
Wir machen das hier vor aller Augen, dachte sie. Wir werden sogar dabei gefilmt. Wildfremde Leute werden es zu Gesicht bekommen.
Unter der Bluse tippte Harris sie mit dem Finger an.
Zumindest er schien noch bei der Sache zu sein.
Fieberhaft versuchte Abilene, sich an ihren Text zu erinnern. Sie entzog sich ihm und lächelte ihn an. »Es ist eigentlich doch ganz nett hier«, sagte sie.
»Ich liebe dich so sehr, Abilene.«
»Cut Cut Cut!«, rief Finley.
Gelächter und Applaus ertönten.
»Hoppla«, sagte Harris.
Abilene klopfte ihm leicht gegen die Brust. »Trottel.« Sie blickte über ihre Schulter und schnitt ihren Freundinnen eine Grimasse. Dann bemerkte sie Baxter. Er lächelte nicht, sondern starrte sie nur an.
»Okay«, sagte Finley. »Das können wir ja rausschneiden. Wir machen mit einer Nahaufnahme von Harris weiter.
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