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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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Liebe, Simon, und heiratete ihn später. Von ihm gibt es auf Liljenholm ebenfalls keine Fotografien, denn als Lily erst einmal dabei war, die Liljenholmer Fotosammlung zu malträtieren, hat sie auch ihn aus der Familie herausgerissen. Er und Lily und Antonia haben viele Jahre zusammen auf dem Gut gewohnt (mit begrenztem Erfolg, wie Sie wohl ahnen) und von dem Einkommen aus Antonias Büchern gelebt. Nella wurde in dieser Zeit geboren, sie war sechs Jahre alt, als Lily starb. Und dann war da noch die Verwalterin …
    »Wie hieß sie noch mal, diese Verwalterin?«
    Nella war es endlich gelungen, die Holzscheite anzuzünden, doch das Loch im Schornstein war mit Sicherheit seit Längerem nicht mehr gereinigt worden. Ich musste husten.
    »Meinst du Laurits?«
    Richtig. Fräulein Lauritsen, so hieß sie. Sie war schon viele Jahre zuvor eingestellt worden, und zu ihren zahlreichen Qualitäten gehörte es angeblich auch, über spezielle Fähigkeiten zu verfügen. Sie konnte mit den Toten reden, und sie tat es auch. Außerdem war sie Haushälterin, Kindermädchen und nach Horaces und Claras Tod schließlich Mutter der Zwillinge. Diese Funktion übernahm sie später auch Nella gegenüber, denn als Sechsjährige verlor Nella nicht nur ihre Tante Lily, sondern auch ihren Vater und in gewisser Weise ihre Mutter.
    Simon löste sich nämlich ungefähr zur gleichen Zeit wie Lily in Luft auf. Oder genauer gesagt im Wasser, da er angeblich bei einer Angeltour verschwand, sodass man davon ausgehen konnte, dass er ertrunken war. Dass Antonia um den Verlust ihres geliebten Mannes und ihrer Schwester trauerte, war offensichtlich. Jedenfalls für alle bis auf die rührige Madame Rosencrantz, die behauptete, dass der ritterliche Simon und die menschenscheue Lily in Wirklichkeit jahrelang eine Affäre gehabt hätten und dass Antonia in einem Anfall von verschmähten Gefühlen und reinem Wahnsinn ihre Schwester in den Tod gestoßen und Simon umgebracht und an einer unbekannten Stelle im Park begraben habe. Aber ich verbreite keine Klatschgeschichten, lassen Sie mich also bei den Fakten bleiben, die so aussehen, dass Antonia auf den offiziellen Bildern plötzlich erheblich älter aussah. Ihre Augen blickten traurig, die Züge waren angespannt, und immer öfter verschanzte sie sich in ihrem Arbeitszimmer, um zu schreiben. So wuchs Nella mit Fräulein Lauritsen als ihrer nächsten Vertrauten auf, und als diese 1926 starb, zog Nella zu Hause aus. Erst zehn Jahre später, in Verbindung mit Antonias Tod, kehrte sie zurück.
    Ungeachtet, ob man Madame Rosencrantz’ farbiger Geschichte Glauben schenkt oder nicht, klingt das in meinen Ohren nicht wie der Traum einer Familie, und umso idiotischer fühlte es sich an, dass das Loch in meinem Inneren derartig wuchs. Es genügte offenbar nur der Anblick von Antonia und Nella auf einem Bild. Eine Mutter und eine Tochter, die sich kaum kannten, soweit ich das verstanden hatte. Die zudem noch in einem Umfeld lebten, wie ich es mir kälter kaum vorstellen konnte. Nella hatte die Hände jetzt in die Seiten gestemmt.
    »Du hast Tränen in den Augen«, stellte sie fest.
    »Das ist nur der Rauch vom Kachelofen. Ich vertrage das nicht, das weißt du doch.«
    Nella schüttelte den Kopf, und ich konnte ihr nur recht geben. Meine Tränen machten keinen Sinn. Ich habe vielleicht nie eine große Familie gehabt, doch nachdem ich mit vier aus dem Kinderheim adoptiert worden war, bekam ich immerhin eine Mutter, die mich wie ihr eigenes Kind aufzog. Lillemor heißt sie, und vielleicht komme ich später auf sie zurück. Jetzt will ich nur erwähnen, dass ich als Neugeborenes ins Kinderheim im Vodroffsvej in Kopenhagen gekommen bin, das auch als das Haus mit den frohen Gesichtern bekannt ist. Ich selbst wäre schon froh, wenn ich mich auch nur an ein einziges Gesicht aus diesen Jahren erinnern könnte oder besser noch, wenn sich ein einziger Mensch aus diesen Jahren an mich erinnern könnte. Die Leiterin und meine Erzieherin sind beide längst tot und begraben, doch eine der Pflegeschwestern oder eine Assistentin ist sicher noch am Leben. Wenn ich nur jemanden, irgendjemanden, fragen könnte, wie ich damals war. Es mag seltsam klingen, doch die größte Einsamkeit ist die, mit seiner Geschichte alleine zu sein.
    »Dann waren Simon und Lily gerade verschwunden, als dieses Bild von Antonia und dir aufgenommen wurde?«, wandte ich ein wenig halbherzig, wie ich glaube, ein, denn Nella sah mich einfach nur weiter an.
    »Ja, davon

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