Das unanständige Foto
weiterer Erklärungen. Was ist Ihre Meinung, Genosse Mamedow?«
Väterchen Akif, dem das ›Genosse Mamedow‹ von jeher wie ein Stein im Magen lag, schob die Fotos zusammen, als sei für ihn die Sache beendet. »Ein schönes Weib«, ergänzte er und griff zu seinem Glas Erdbeerwein. »Ihr niedrig denkenden Individuen: Jede Schönheit ist Gottes Werk. Ob eine Rose blüht, eine Birke sich schlank im Wind wiegt oder ein Sonnenstrahl auf eines Mädchens Busen fällt … Gott lächelt immer.«
»Damit können wir gehen«, sagte Dr. Lallikow nüchtern. »Mehr ist nicht zu erwarten in diesen geweihten Räumen.«
»Wir haben gedacht, Sie kennen diese Frau«, ließ sich Babajew vernehmen.
Väterchen Akif zuckte zusammen, stellte sein Glas, ohne getrunken zu haben, hin und brüllte erbost: »Iiiich?«
»Wir meinen …«, krächzte Babajew und kroch in sich zusammen.
»Ich? Ihr kommt zu mir, zeigt mir ein nacktes Weib und erwartet von mir die entsprechende Auskunft? O Gott dort oben, was muß ich leiden unter diesen Menschen! Wie tief gesunken sind diese Kreaturen! Hinaus mit euch!«
»Ich will nur einen Namen nennen …«
»Hinaus!«
»Könnte die Nackte nicht Stella Gawrilowna sein?«
»Nein!« brüllte Väterchen Akif.
»Sind Sie so sicher?«
»Ja!«
Dr. Lallikow schabte über seine Nase, aber es gab kein Zurück mehr. Man war unter sich, wie gesagt, man war die Gemeinschaft der Schweiger.
»Wieso sind Sie so sicher?« fragte er. »Akif Victorowitsch, ich als Arzt würde in diesem Fall nicht so sicher sein.«
»Aber ich!« Akif ließ die mächtige Faust auf die Bilder fallen. Er blickte noch einmal hin und schüttelte dann wieder den Kopf. »Es ist nicht Stella Gawrilowna! Wo sind die Haare?«
»Der Kopf fehlt ja«, sagte Kasutin tadelnd.
»Wer redet denn vom Kopf?«
Babajew seufzte und schloß erschüttert die Augen. Kasutin wurde rot wie eine Mohnblume. Dr. Lallikow faltete die Hände über seinem kugeligen Bauch, als wolle er zu einer Litanei ansetzen. Nur Akif, das strenge Väterchen, war empört und sich der soeben ausgesprochenen Offenbarung nicht bewußt.
»Es stimmt!« sagte Kasutin endlich gepreßt. »Sie ist haarlos. Genosse Dr. Lallikow, warum haben Sie, als Arzt, so etwas nicht sofort gesehen? Müssen wir dazu einen Priester haben?«
»Ich habe auf Formen geachtet, nicht auf Löckchen!« rief Lallikow beleidigt.
»Mäßigen Sie sich!« schrie Kasutin erregt. Sein Triumph über Akif fiel in sich zusammen. »Wir stehen vor einer völlig neuen Situation: Die nackte Frau hat sich am Körper rasiert.«
»Pfui!« meinte Babajew voller Abscheu.
»In unserer Stadt rasiert sich eine Frau und läßt sich auch noch so fotografieren. Das schlägt aller Moral ins Gesicht. Das ist einwandfrei westliche Dekadenz. Damit werden die Fotos politisch und gehen die Parteileitung etwas an. Das ist eine sexuale Unterwanderung unserer Ideologie. Das ist Sabotage mit Hilfe des Unterleibes. Ha, das kann man gar nicht nach Magnitogorssk melden. Das muß unter uns ausgestanden werden. Dieses Laster müssen wir ganz allein in aller Stille ausbrennen.« Kasutin holte tief Luft. »Das Weib rasiert sich … an, an dieser Stelle! Genossen, wir müssen verhindern, daß Nowo Korsaki auf solch widerliche Weise vom Westen verseucht wird. Wir müssen diese Frau unter allen Umständen finden. Dieser haarlose Körper ist eine Kriegserklärung.«
Väterchen Akif grunzte tief, trank mit einem Schluck sein Glas Erdbeerwein aus und starrte dann wieder auf die unanständigen Fotos.
»Also, Stella Gawrilowna scheidet aus«, sagte Dr. Lallikow sachlich. »Akif Victorowitsch verbürgt sich dafür.«
»Seien Sie still!« knirschte Mamedow.
»Wann hatten Sie das letztemal Gelegenheit, sich vom Vorhandensein von Löckchen zu überzeugen?«
»Sie Satan!« Väterchen Akif rollte wild mit den Augen. »Nur Gott allein sieht in eines Menschen Herz!«
»Kennt Stella überhaupt den Geologen Jankowski?«
Akifs Kopf schnellte ruckartig empor. »Was hat Victor Semjonowitsch damit zu tun?«
»Von ihm stammen die Fotos!« erklärte Kasutin voll Freude. »Kennt er Stella?«
»Ja«, nickte Akif. »Er holt bei ihr Blumen zur Ausschmückung seiner Wohnung.«
»Hahaha«, lachte Babajew höhnisch. »Was holt er denn für Blümchen? Rittersporn und Fleißiges Lieschen?«
»Auf keinen Fall Männertreu.« Kasutin legte sich voll ins Zeug. »Die Fotos sind neuesten Datums, das wissen wir. Wäre es nicht möglich, daß Stella Gawrilowna sich von
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