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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Bauzaun verschwand.
    Über Halensee ging es am Funkturm vorbei über die Avus und auf die Autobahn. Dann kam auch schon der erste Schlagbaum. Es waren vier bis nach Westdeutschland: Zwei bei der Ausreise aus Westberlin und der Einreise in die DDR, und umgekehrt wieder beim Verlassen der DDR und beim Einreisen in die BRD.
    Die Berliner Zöllner kontrollierten lediglich die Autopapiere und die Personalausweise. Sie verglichen die Paßfotos mit den Gesichtern der Herren Stielicke und Sperling, waren mit der Ähnlichkeit zufrieden und blätterten dann noch in ihrem dicken Fahndungsbuch herum.
    Aber falls der Name des weißhaarigen Mannes, der wie ein Professor aussah, überhaupt in irgendeiner schwarzen Liste oder in einem Computer erfaßt gewesen war, hatte man ihn mit Sicherheit gelöscht, nachdem er gestern zum letzten Mal beim Polizeirevier 31 in Berlin-Charlottenburg angetanzt war. Diesbezüglich konnte man sich auf die deutsche Polizei im allgemeinen verlassen und auf Kriminalkommissar Jascheck im besonderen.
    Jedenfalls klappten die Zöllner schon nach wenigen Augenblicken ihr dickes Buch wieder zu und wünschten eine gute Fahrt.
    »Besten Dank«, erwiderten die Herren Stielicke und Sperling.
    »Gutgegangen«, sagte Hugo Stielicke dennoch sichtlich erleichtert, als sie weiterfuhren.
    »War doch überhaupt kein Problem«, widersprach der Dicke. »Aber jetzt kommt die DDR, und da kann’s frostig werden.«
    Doch die Zöllner von drüben unterschieden sich nur durch eine andere Uniform von ihren Berliner Kollegen. Nachdem sie gleichfalls zuerst in die Pässe und dann in die Physiognomien der lebenden Originale geblickt hatten, wünschten auch sie eine gute Weiterreise. So etwas wie ein Fahndungsbuch hatten sie gar nicht bei sich.
    Jetzt ging es eine ganze Weile über die Autobahn durch die DDR. Die Felder links und rechts wurden gerade abgeerntet, und in den Thüringer Wald, der dann an ihnen vorbeizog, zauberte die Sonne alle nur denkbaren grünen oder braunen Farben ins Laub.
    »Diese verfluchte Hitze«, schimpfte der dicke Sperling wieder einmal. »Das Geflimmer ist so hundsgemein grell, daß mir fast die Augen aus dem Kopf platzen.«
    Am frühen Nachmittag rollte das Wohnmobil endlich am letzten Schlagbaum vorbei auf westdeutsches Gebiet. Hugo Stielicke hatte sich inzwischen im Wohnteil des Wagens aufs Ohr gelegt und döste vor sich hin, als der dicke Sperling seinen Fuß ein wenig vom Gaspedal nahm und auf einen leeren Parkplatz kurvte. Er brachte den blau-weißen Wagen zum Stehen, ließ den Motor weiter vor sich hinbrummen und sprang ins Freie.
    Als Hugo Stielicke verwundert die Seitentür öffnete, wurde sie von draußen wieder zugezogen und doppelt abgeschlossen. Dann wurde es im Inneren des Wohnmobils immer dunkler. Sperling zog nämlich zuerst vor dem breiten Rückfenster und anschließend vor den zwei Seitenfenstern die Jalousien herunter. Er kippte ihre Kunststofflamellen so, daß sie dicht schlossen.
    »Das kann doch wohl nicht wahr sein«, protestierte Hugo Stielicke. »Was Sie da treiben, ist ja geradezu kindisch.«
    Von dem Dicken kam keine Antwort. Nur seine schnellen Schritte auf dem kiesigen Boden waren zu hören und dann das Zuschlägen der vorderen Wagentür. Gleich darauf erschien
    Sperlings Gesicht ganz dicht hinter dem schmalen Fenster zur Fahrerkabine. Seine Nase drückte mit ihrer Spitze gegen das Glas. »Tut mir ausgesprochen leid«, rief er, und sein Mund hatte etwas von einem schnappenden Fisch hinter einem Aquariumglas. »Aber der >Mandarin< will es so. Es sei besser, meint er, wenn Sie gar nicht wissen, wohin die Reise geht. Die Lichtschalter sind gleich rechts neben der Tür.« Er nahm seinen Kopf zurück und zog einen Vorhang vor das Innenfenster. Dann schaltete er und fuhr los.
    Am Geräusch unter den Reifen konnte Hugo Stielicke mitkriegen, daß es vom Parkplatz wieder auf die Autobahn ging. Eigentlich hätte er im ersten Augenblick nicht wenig Lust gehabt, wie ein Irrer herumzutoben und Radau zu machen. Aber dann schüttelte er nur den Kopf und schmunzelte sogar. Er knipste das Licht an, drehte das Radio lauter und legte sich dann wieder auf das eine der beiden Betten. Er starrte fünf Zigaretten lang in die Deckenlampe. Sie schwankte und zitterte, als hinge sie in einer Schiffskabine auf hoher See.
    Etwa nach einer halben Stunde nahm Herr Sperling auf einmal die verstummten Beziehungen wieder auf. »Es tut mir leid, wie gesagt«, brüllte er durch den Motorlärm und das verhängte

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