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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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zugeklappt und bis zum Ende der Veranstaltung mit seinen großen blauen Augen durch eines der Fenster hinausgeträumt.
    Die Rolle, die er in diesen zwei Stunden zu spielen hatte, war ihm von den Glorreichen Sieben genau vorgeschrieben worden.
    Dieses veränderte Verhalten blieb Studienrat Dr. Purzer selbstverständlich nicht verborgen. Er hatte es sich an seinem Tisch unter der Wandtafel gemütlich gemacht und schmökerte in den Bad Rittershuder Nachrichten, die er gleich zu Beginn der Klassenarbeit aus seiner dunkelbraunen Ledermappe geholt hatte. Daß Purzer durchaus in der Lage war, einerseits intensiv Zeitung zu lesen und gleichzeitig die geringste Bewegung in der Klasse zu wittern, das wußte inzwischen jeder Anfänger im Erdgeschoß. Auf so primitive Tricks wie etwa Spiegelkontrolle in den Fensterscheiben und dergleichen konnte er kaltlächelnd verzichten.
    Doch heute blickte er doch immer wieder zu dem Jungen mit der frechen Stupsnase hinüber, mit einer Mischung aus Verwunderung und Neugier.
    »Sollte endlich der Knopf bei dir aufgegangen sein?« erkundigte er sich schließlich halblaut.
    Manuel blieb über sein Heft gebeugt und tat so, als hätte er die Frage gar nicht gehört.
    »Ich meine den Schüler Manuel Kohl in der fünften Reihe am Fenster«, bemerkte Dr. Purzer mit freundlichem Nachdruck.
    »Wie bitte?« fragte Manuel verwirrt. Es gelang ihm, so zu wirken, als sei er mit seinen Gedanken ganz weit weg gewesen.
    »Schon gut«, entgegnete Dr. Purzer. »Laß dich nicht stören — « Er lächelte sein unverbindliches Buddhalächeln. »Würde mich ehrlich freuen für dich, ich meine, das mit dem aufgegangenen Knopf«, fügte er noch hinzu. Dabei vertiefte er sich bereits wieder in seine Zeitung.
    Vor den Schülern lagen lediglich die aufgeschlagenen Hefte auf den Tischen. Alle Bücher waren in den Schulmappen verschwunden. Es herrschte Totenstille. Nur gelegentlich war ein mehr oder weniger tiefes Durchatmen zu hören, das Geräusch von einem Lineal, das zur Seite gelegt wurde, das Umblättern von Papier. Sogar die Luft stand still. Es war in den vergangenen Tagen immer wärmer geworden, und jetzt brütete Hitze über der Stadt.
    Studienrat Dr. Purzer hatte längst seine Krawatte gelockert und auch seinen Hemdkragen aufgeknöpft. Seine Beine waren übereinandergeschlagen, wobei seine schneeweißen Socken nicht zu übersehen waren. Vielleicht bevorzugte er sie, um daran zu erinnern, daß er trotz seiner knappen fünfzig Jahre immer noch eifrig Tennis spielte, also ein sportlicher Typ war. Blutjunge Schüler provozierten so ein Image geradezu.
    Als vom Zobelberg herüber ein Flugzeug auf die Stadt zukam, hatte Dr. Purzer seine Lektüre der heutigen Bad Rittershuder Nachrichten, inklusive Sportteil und Anzeigenseiten, beendet. Er faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und angelte jetzt ein Buch aus seiner Ledermappe. Der Schutzumschlag signalisierte, daß es sich um eine Biographie Friedrichs II. von Hohenstaufen handelte. Schließlich gab Purzer auch Geschichte. Der Schmöker war ziemlich neu und umfangreich. Ein Lesezeichen verriet, daß der Studienrat bereits bis zur Mitte des Buches vorgedrungen war. An dieser Stelle war Friedrich gerade dabei, mit seinen Rittern die Lombarden bei Cortenuova gehörig aufs Kreuz zu legen und anschließend in die Flucht zu jagen.
    Durch die weit geöffneten Fenster war von der Stadtkirche der erste Schlag des Zwölfuhrläutens zu hören.
    Das war der Startschuß, auf den Karlchen Kubatz gewartet hatte. Er schraubte seinen Füllfederhalter zu, ließ ihn in seiner Cordjacke verschwinden und klappte sein Heft zusammen. Da er in Mathematik der Champion der Klasse war, verwunderte das niemanden. Auch als der kleine Junge mit dem Bürstenhaarschnitt jetzt aufstand und die paar Schritte von seinem Platz zu Dr. Purzers Tisch hinüberging, gab es in der Klasse kaum einen, der den Kopf hob.
    Nur die Vier von den Glorreichen, die zusammen mit Karlchen in die 9 b gingen, waren eingeweiht und wußten, was jetzt passieren würde. Sie hatten erst recht allen Grund, sich nichts anmerken zu lassen. In Wirklichkeit waren sie so aufgeregt, als hätten sie Schmetterlinge im Bauch. »Ich krieg’ gleich die Pickel«, stöhnte Emil Langhans unhörbar in sich hinein. Er fingerte an seiner dunklen Hornbrille herum, aber er wagte keinen einzigen Blick in Richtung Wandtafel — nicht einmal ein Zwinkern oder Schielen.
    Schon als sich Karlchen Kubatz vorsichtig von seinem Stuhl hochgeschraubt

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