Das unheimliche Medium
Felder weit, der Wald dicht und das hügelige Land nur aus einer bestimmten Entfernung zu überblicken. Bäche, schmale Brücken, Häuser, mit weit vorgezogenen Dächern, die sich manchmal in Mulden duckten und von Hecken umgeben waren, damit sie den Winden nicht zu sehr ausgesetzt waren.
Warme Herbsttage lagen hinter mir. Die Sonne hatte es noch einmal gut gemeint, jetzt genoß ich die Kühle des Abends, den plötzlichen Aufenthalt allerdings weniger. Ob ich geträumt hatte oder nicht, das war mir nicht ganz klar, jedenfalls mußte ich bremsen, denn im blassen Licht meiner Scheinwerfer standen plötzlich drei vierbeinige Gestalten auf der recht schmalen Fahrbahn und glotzten in das Licht.
Schafe!
Ich hielt an. Von der rechten Seite her, ein Hügelrücken bildete dort eine mit Gras bewachsene Flanke, tauchten schon die nächsten Viecher auf.
Eines der drei auf der Straße stehenden Tiere mußte wohl der Leithammel gewesen sein.
Ich kam nicht mehr vorbei.
Die Herde quoll auf die Straße zu. Es dauerte nicht lange, da war mein Wagen von Schafen eingekeilt. Dieser typische scharfe Geruch wehte durch das offenen Fenster ins Innere, so daß ich mich gezwungen sah, hastig die Scheibe des Rover hochzukurbeln. Dieser Gestank war nicht gerade mein Fall.
Ein Bellen ließ mich nach rechts schauen. Ein langer Schatten huschte über den Hang. Es war der Hund des Schäfers. Er sollte die Herde bewachen, war ziemlich groß und rannte mit weiten Sprüngen um die jetzt still stehende Schafherde.
Auch der Schäfer tauchte auf. Ein großer Mann, der sich auf einen langen Stock stützte, einen Mantel umgehängt hatte und mir vorkam wie die Gestalt aus einem Lesebuch, das man den Kindern in den fünfziger Jahren gegeben hatte.
Ich mußte lächeln, fragte mich gleichzeitig, wann die Herde weiterziehen würde. Das war die Sache des Schäfers. Den Tieren selbst schien es auf der Straße sehr gut zu gefallen, denn kein Tier löste sich aus dem Verbund. Sie hatten um den Rover herum einen Teich aus Leibern gebildet.
Das konnte dauern…
Trotz des Gestanks kurbelte ich das rechte Seitenfenster nach unten.
Sofort reckten einige Schafe ihre Köpfe. Mit den Schnauzen stießen sie gegen den Wagen. Ich hörte das Blöken, dann fuhren die Zungen durch die Lücke, als wollten sie mich ablecken.
Auf derartige Liebkosungen konnte ich verzichten, kurbelte die Scheibe wieder halbhoch, denn ich wollte noch mit dem Schäfer sprechen und ihn zu bitten, daß er seine Herde wegtrieb.
Er war zwar auf Rufweite herangekommen, aber dazu kam ich nicht. Wir alle, die Menschen, die Schafe und der Hund, wurden von einem Vorgang abgelenkt, der sich vor uns abspielte, direkt am Himmel, ungefähr dort, wo der kleine Ort Weldon liegen mußte.
Dort tobte ein Gewitter aus grellen Blitzen!
So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Es konzentrierte sich auf eine bestimmte Stelle und riß den Himmel auf. Ich hörte keinen Donner, es waren einzig und allein die unzähligen und wie aus dem Nichts entstehenden Blitze, die über den grauen Himmel jagten und ihn immer wieder aufrissen. Sie bildeten Figuren, sie verschwanden, sie entstanden neu, sie zerschmetterten lautlos die Finsternis, schufen ein zuckendes Puzzle, das immer wieder neue Formen bekam, und jagten zudem in gewaltigen Hieben dem Erdboden oder dem Ort entgegen.
Ich hatte schon zahlreiche Naturschauspiele erlebt, dazu zählte ich auch Gewitter, aber so etwas war mir noch nicht begegnet. Das war auch kein Gewitter, das war einfach unerklärlich für mich, es glich einem Phänomen. Es war der reine Wahnsinn.
Wir befanden uns einige Meilen vom Zentrum entfernt. Trotzdem erreichten uns die Ausläufer der fahlen Helligkeit, die geisterhaft über die Rücken der Schafe hinwegwischten und auch die nähere Umgebung nicht verschonten.
Kein Donner!
Überhaupt kein Laut war zu vernehmen, nur das geisterhafte Netz der Blitze lag über Weldon und bewegte sich wie ein irres Karussell, nur eben nicht im Kreis.
Mit mir geschah auch etwas.
Zuerst hatte ich mich wie aufgeputscht gefühlt. Da waren mehrere Adrenalinstöße durch meinen Körper gerast, aber die Wirkung verging sehr schnell und machte dem Gegenteil Platz.
Ich fühlte mich mies. Ich war plötzlich schlaff geworden, auch müde und down. Jegliche Kraft war aus meinem Körper geströmt. Ich hatte auch keine Lust mehr, weiterzufahren, und das Kreuz vor meiner Brust schien das Doppelte an Gewicht bekommen zu haben und zog mich allmählich nach vorn. Was war
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