Das unheimliche Medium
vergessen.
Miller nahm eine Kerze mit, als er sich auf den Weg zum Schlafraum machte. Der tanzende Schein aus Licht und Schatten begleitete ihn.
Wenig später huschte er über das Ehebett hinweg und bewegte sich auf den dunklen Wandschrank zu, als er seine Hand drehte.
In der rechten Hälfte hing seine Kleidung, in der linken hatte er die anderen Dinge aufbewahrt. Wenig später war die Tür offen. Den Teller mit der Kerze stellte er auf den Boden und schaute in den Schrank hinein. Das Innere wurde von der schmalen Flamme beleuchtet, aber nicht so gut, als daß er sofort das bestimmte Buch hätte entdecken können. Es mußte in dem Stapel stecken, der sich in dem Schrank auftürmte.
Miller fing an zu wühlen. Was es zur Seite zu räumen gab, schaufelte er weg. Lexika, Fachbücher über den Beruf des Einzelhandelskaufmanns, technische Bücher, zwei uralte Erotikromane, einige Thriller in schon zerfledderter Taschenbuchform, und als er nach dem drittletzten Buch griff, da durchströmte ihn ein warmes Gefühl.
Das war es.
Miller atmete tief durch. Er hielt das Buch so, damit der Kerzenschein gegen den dunklen Einband fallen konnte. Im Prägedruck hob sich der Titel ab.
»Verhaltensweisen bei einem Besuch Außerirdischer«, las er murmelnd vor.
Das war es. Wenn er sich damit beschäftigte und alles behielt, konnte er nichts falsch machen.
Bisher hatte er gehockt. Wuchtig stemmte er sich hoch und zog sich mit Kerze und Buch zurück in sein Wohnzimmer.
Er hatte es kaum betreten, als sich die Umgebung draußen veränderte.
Auf einmal war das Licht wieder da. Die tiefe Dunkelheit wurde von verschiedenen hellen Quellen unterbrochen. Die Straßenlaternen gaben wieder ihren Schein ab, und auch die Häuser gegenüber erschienen wie aus dem Nichts mit ihren hellen, viereckigen Augen.
Ja, das war gut.
Er atmete tief durch.
Er lächelte.
Dann blies er die Kerzen aus und tippte gegen den Lichtschalter. Unter der Decke erhellte sich die flache Lampenschale. Sie erinnerte ihn in ihrer Form an ein Raumschiffmodell, daß sich sein Zimmer als Landeplatz ausgesucht hatte.
Er trat ans Fenster. Das Licht ließ er brennen. Miller schaute hinaus auf die Straße, dann zum Haus seiner Nachbarin Chrissy, und sein Gesicht verzog sich.
Etwas durchströmte ihn.
Es war ein Gefühl, das er bisher nicht gekannt hatte. Ein wildes, unberechenbares, und er konnte es auch nicht einordnen. Es wurde, wie alle anderen auch, vom Gehirn gesteuert.
Haß…
Töten!
***
Ich hatte auf der Karte nachgeschaut und wußte, daß der nächste Ort, den ich erreichen würde, Weldon hieß. Von dort waren es noch gute sechzig Meilen bis an den Stadtrand von London, und ich überlegte, ob ich sie fahren sollte oder lieber in diesem Kaff übernachtete.
Nein, ich würde durchfahren, und einschlafen würde ich ebenfalls nicht, dazu war mein Ärger zu groß. Ich kehrte von einer Dienstreise zurück, die nichts gebracht hatte.
Auf einem Schloß waren mehrere Polizei-Psychologen zusammengekommen, um ein Seminar über zwei Tage abzuhalten. Wir sollten erfahren, wie es um die menschliche Seele bestellt war und welche Kräfte einen Täter zu diesen oft nicht nachvollziehbaren Verbrechen und Taten trieb.
Es war langweilig gewesen, und ich hatte mir immer das Gesicht meines Freundes Suko vorgestellt, der in London zurückgeblieben war, obgleich er hätte mitfahren sollen, aber Suko hatte eine schwere Erkältung vorgetäuscht und dabei so überzeugend gewirkt, daß Sir James darauf reingefallen war.
Die Ausrede ›Erkältung‹ war mir also versperrt gewesen, und so hatte ich in den sauren Apfel gebissen. Der lag mir noch immer stückweise im Magen und schmerzte. Ich stellte mir schon Sukos Gesicht vor, wenn ich wieder in London eintraf. Der würde mich auslachen, sich über mich lustig machen und sicherlich scheinheilig danach fragen, was ich alles erlebt und was mir dieser Lehrgang gebracht hatte. Nichts, überhaupt nichts.
Es waren keine klaren Verhältnisse geschafft worden, weil jeder Fachmann eine unterschiedliche Meinung vertrat und keine andere neben sich gelten ließ.
Das ärgerte mich. Ich befand mich im südlichen England, zwischen London und Brighton. Ich erreichte irgendwann den Motorway, bis dahin aber mußte ich noch einige Orte durchfahren.
Der nächste hieß Weldon…
Zwei Meilen noch, dann war ich da. Auch in der hereinbrechenden Dämmerung war zu sehen, daß ich mich in einer herrlichen Gegend befand. Hier waren die Wiesen noch saftig, die
Weitere Kostenlose Bücher