Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
hinaufgeklettert und haben in Eis und Schnee eine Festung gebaut? Als ihnen der Wind anschließend die Kühe weggeblasen hat, sind sie einfach wieder nach unten gegangen und haben sich mit ein paar Holzbaracken beim Finsterwald begnügt. Nein, nein«, sagte sie, »irgendwas scheint hier nicht zu stimmen.«
Primus war ganz ihrer Meinung. »Bisher sieht alles so aus, als hätten die Geschichtsschreiber ein paar Jahrtausende übersehen. Nur schade, dass wir die Sache mit der Festung nicht nachprüfen können. Ich wüsste wirklich nicht, wie wir dort hinaufkommen sollten. Steht irgendwas davon geschrieben, wie diese Festung aussieht?«
Plim atmete nachdenklich durch: »Ziemlich seltsam, wie mir scheint. Das sollen so komische Röhren sein – fast wie riesige abgebrochene Schornsteine. Sie ragen aus dem eisigen Berg und führen lotrecht ins Erdinnere hinunter. Angeblich sind die Schächte so tief, dass man den Boden am Ende nicht mehr erkennen kann. Das Merkwürdige daran aber ist, dass diese Röhren nicht gemauert sein sollen, sondern eine spiegelglatte Oberfläche besitzen. So, als hätte sie jemand gegossen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Und das wäre auch schon alles. Mehr steht hier leider nicht.«
»Schade«, sagte Primus. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und streckte sich. »Aber das ist ja schon eine ganze Menge. Gibt es sonst noch irgendetwas Interessantes in diesem Buch?«
Plim blätterte um und überflog die nächste Geschichte. Darin ging es um eine kleine, dürre Gestalt im Narrenkostüm, die man auf den Hügeln der Nebelfelder beobachtet hatte.
»Nichts, was uns weiterhelfen könnte«, gab sie zurück, wobei sie das Buch zuklappte.
Primus griff sich eine Sammlung alter Ausgaben des Zauberzirkels und machte es sich wieder zwischen den gehäuften Büchern bequem. Schmunzelnd las er die Schlagzeilen auf den Titelblättern, wobei er erneut in lautes Gähnen ausbrach. Es dauerte nicht lange, bis ein Mann entrüstet auf ihn zugeschritten kam. Er trug eine schwarze Robe und einen kleinen runden Zwicker auf der Nase. Die wenigen Haare, die er noch hatte, waren zu einem dürftigen Mittelscheitel gekämmt und klebten an seinem Kopf. Primus erkannte ihn sofort wieder. Es war der schmale Bibliothekar, den sie beim Betreten des Saals an den Regalen beobachtet hatten. Kerzengerade richtete er sich vor Primus auf und streckte den Zeigefinger in die Höhe.
»Junger Herr«, flüsterte er. »Könntet Ihr es möglicherweise einrichten, ein klein wenig leiser zu gähnen? Das stört unsere Schreiber doch allzu sehr.«
Seine Stimme hörte sich an, als würde ihm jemand beim Sprechen die Nase zuhalten. Dann blickte er sich um. So wie es aussah, hatte er die Unordnung anfangs gar nicht bemerkt, mit der sich Plim und Primus hier breitgemacht hatten. Sprachlos sah er zu Boden, der über und über mit Büchern bedeckt war. Vor Aufregung fing er an mit der Oberlippe zu zucken.
»Wie sieht es denn hier überhaupt aus?!«, jammerte er. »Normalerweise nimmt man sich zwei oder drei Bücher, aber nicht das halbe Regal. Mein Herr, ich muss doch sehr bitten. Wir sind kein Süßwarenladen, sondern eine Bibliothek. Wenn ich das alles aufräumen soll, dann bin ich bis heute Abend beschäftigt.«
Er zuckte immer schneller mit der Lippe. Fast erinnerte Primus dieser Bibliothekar an Chuck, da er während des Redens überhaupt keine Pause machte.
»Das sind ja auch noch Bücher zu völlig unterschiedlichen Themen, die hier herumliegen«, fügte er hinzu. »Na, das kann ja heiter werden.« Er griff sich so viele Bücher, wie er nur tragen konnte, und schritt mit wehender Robe davon.
Primus erhob sich.
»Ich denke, wir finden hier sowieso nichts mehr«, sagte er zu Plim. »Die Sichel wurde in all den Büchern mit keiner Silbe erwähnt. Vielleicht müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen, um hinter das Geheimnis zu kommen. Du kannst ja noch die restlichen Seiten von deinem Wälzer durchblättern, während ich ihm dabei helfe, die übrigen Bücher zurückzutragen.«
Er nahm einen dicken Stapel und brachte ihn zu dem Lesebalkon, wo der Bibliothekar die erste Buchladung abgelegt hatte. Dieser war sichtlich besänftigt, als Primus ihm beim Aufräumen zur Hand ging. Gemeinsam beluden sie den Balkon, bevor der Bibliothekar sich auf den Weg machte, alles wieder sauber einzuordnen. Natürlich ging das bei seinem Tempo wesentlich schneller, als er zuvor behauptet hatte. Schon nach wenigen Fahrten standen alle Bücher wieder
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