Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
bekannt vor«, bekräftigte Rabenstein. Dann strich er sich über die Wangen, wobei sich seine Augen verengten. »Wie ist Sein Name?«
»Der steht gewiss auf dem Leihschein, wenn wir uns dieses Buch abholen«, sagte Primus und drückte Plim zum Ausgang.
Schnellen Schrittes verließen sie die Bibliothek. Als sie das Eingangsportal hinter sich gelassen hatten, blieb Plim stehen und stemmte ihre Hände in die Hüften.
»Jetzt haben wir den ganzen Tag mit Suchen verbracht, nur damit so ein Kerl daherkommt und uns das einzige Buch wieder wegnimmt, das uns wahrscheinlich weitergeholfen hätte.«
Sie stieß Primus mit dem Ellbogen in die Seite. »Du, pass mal auf! Wir zwei gehen da jetzt wieder rein und dann werde ich …«
Primus schüttelte den Kopf. »Das wird nicht viel bringen«, sagte er. »Freiwillig gibt der uns das Buch gewiss nicht, so viel ist sicher.« Nachdenklich schaute er zurück. »Aber jedenfalls wissen wir jetzt, wo es aufbewahrt wird, das ist doch schon mal etwas. Es liegt irgendwo im Keller. Zumindest hat es Milbenwang von dort geholt.«
Er nahm den Zylinder ab und strich sich durch die Haare. Dann lächelte er.
»Also, Plim«, sagte er, »wir gehen da auf jeden Fall wieder hinein. Aber so, dass es keiner merkt. Ich habe auch schon einen Plan.«
Langsam schlenderten die beiden im Licht des späten Nachmittags zum Stadttor hinaus. Vom Trubel des Mittags war nichts mehr übrig geblieben. Lange Schatten legten sich von den Türmen über die Straßen und hell leuchteten die Mauern der Bibliothek im matten Sonnenschein.
Hätten sich die beiden noch einmal umgesehen, dann hätten sie möglicherweise hinter einem der Fenster die Silhouette von Rabenstein erkannt, der ihnen mit verschränkten Armen hinterherblickte.
»Sieh mal an«, flüsterte er. »Was für eine Überraschung. Mein lieber Primus. Hast du den Sturz damals also doch überlebt.«
Er holte ein kleines Amulett hervor, das an einem Lederband um seinen Hals hing. Lächelnd betrachtete er den kleinen milchigen Steinsplitter, der darin eingearbeitet war. Dann schaute er wieder zu Primus hinab.
»Und kein bisschen älter bist du geworden, mein alter Freund. Siehst fast noch genauso aus wie damals vor zweihundert Jahren.«
Ein seltsamer Fund
N ur wenig später tauchten bedrohliche Wolken am Horizont auf. Der Mondwassersee spiegelte noch die untergehende Sonne, während es von Süden her immer dunkler wurde. Wie eine Wand rückte das Gewitter von den Bleibergen näher und schob sich unter den Abendhimmel. Primus und Plim beschleunigten ihre Schritte. Bis zum Finsterwald hatten sie noch ein beachtliches Stück Weg vor sich und auf dem offenen Feld wollten sie nicht unbedingt in das Unwetter geraten. Die Luft war geladen und eine gespenstische Stille lag über dem Land. Nirgendwo war mehr ein Laut zu hören. Die Grillen hatten aufgehört zu zirpen und auch der Gesang der Vögel war verstummt. Als sie die Stelle passierten, an der der kleine Steg zum Wasser hinausführte, nahm Primus einen Luftzug wahr. Kurz und schnell, wie der Vorbote des Sturms, fegte der Windstoß über das Land. Primus blieb stehen. Er blickte auf den See, dessen Wasser nun kleine Wellen schlug und wo vom Glitzern des Sonnenuntergangs keine Spur mehr zu sehen war. Der Himmel war kohlrabenschwarz. Jetzt hieß es laufen.
Auf der Flucht vor dem Gewitter rannten die beiden über die Felder auf den schützenden Finsterwald zu. Da ertönte ein Geräusch! Aus der tiefsten Finsternis der Wolkendecke trat ein Poltern hervor, das sich anhörte wie hölzerne Fässer, die über die Straße gerollt kommen. Und dieses Poltern wurde zunehmend lauter. Es steigerte sich, schwoll zu einem Krachen an, bis es schließlich in einem ohrenbetäubenden Donnerschlag explodierte. Der Boden erbebte, ein Blitz schoss vom Himmel und mit prasselndem Regen brachen die Wolken auf.
Plim rannte mit flatterndem Kleid hinter Primus her, dem die Lust am Laufen nun endgültig vergangen war. Er flog so schnell, wie er konnte, wobei er mit einem Fuß das Päckchen mit der Rätselrübe und mit dem anderen Plims Köfferchen trug. Es schüttete und krachte, als würde die Welt untergehen. Blitze gingen hernieder, schlugen in die Felder ein und ließen das Dunkel zum Tage werden. Primus hatte größte Schwierigkeiten, sich in der Luft zu halten. Sein nasser Zylinder hing ihm so weit ins Gesicht, dass er kaum noch etwas sehen konnte, und auch Plims Tasche wurde mit jedem Tropfen schwerer. Im Blindflug ging es
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