Das unsagbar Gute
seiner Wohnung lag, aus dessen Ohr ein bisschen Blut sickerte – auf den Hinterkopf gefallen: vom Möbelstück in unmittelbarer Nähe. Etwas anderes war ihm nicht in den Sinn gekommen.
Manfredo war zu einem anderen Schluss gekommen. Er wusste, warum die Oma so dalag, wie sie dalag. Er würde annehmen, jeder andere würde das auch wissen. Vor allem jener andere, der das Geld geklaut hatte. Was tat nun aber besagter Manfredo (außer die tote Großmutter beseitigen)? Er geht einkaufen! Weit davon entfernt, Hals über Kopf den Ort seiner Tat zu fliehen, bleibt er in aller Seelenruhe hier und erzählt im SPAR das Märchen von der Spanienreise. Also bleibt er uns wohl erhalten. Bis, ja genau: Bis er das Geld gefunden hat. Das Scheißgeld! Na ja, nur ums Geld geht es da gar nicht. Manfredo sucht nicht nur den Dieb, sondern auch den Einzigen, der die Leiche gesehen hat. Den Mitwisser. Um dann, wenn er ihn gefunden hat, was zu tun? (Außer ihm das Geld abzunehmen.) Das war nur allzu klar …
Schott stand so schnell auf, dass Sami von seinem Napf zurückwich. »Nein, Sami, schon gut, du bist nicht gemeint«, sagte Schott, um ruhige Stimmlage bemüht. Sami legte die Ohren an. Überzeugt war er nicht. Schott verließ die Küche, machte die Tür mit großer Vorsicht zu, um den Kater nicht weiterzu beunruhigen. Dass Sami so schreckhaft war, erklärte sich nun zwanglos aus dem, was er erlebt hatte, ein weiteres Detail der Geschichte. Der Kater war Zeuge der Auseinandersetzungen zwischen Frau Leupold und ihrem Enkel geworden. Und Zeuge der ruchlosen Bluttat.
Es war eine völlig idiotische Idee gewesen, das Geld zu nehmen. Geld wird immer vermisst. Wenn nicht gleich, dann eben später. Herrenlose Riesenvermögen finden sich nur in alten Möbeln beim Trödler, das steht dann in der Zeitung und passiert in Wien oder London; Schott hatte noch nie von so einem Fall in geografischer Nähe erfahren. Ein paar Hunderttausend liegen nicht einfach so herum. Und woher hatte die Frau Leupold überhaupt so viel Geld? Dieser Frage war er mithilfe seiner hervorragend ausgebildeten Fähigkeit zur Verdrängung bis jetzt ausgewichen. Sie lauerte auch nicht im Hintergrund seines Bewusstseins, von wo sie etwa psychosomatische Attacken ausführte, nein, er schlief so gut wie schon lange nicht mehr. Er hatte diese Frage vollständig vergessen. Jetzt fielen sie ihm wieder ein, die Frage und die Antworten dazu. Von der Pension hatte sie sich das nicht abgespart, das wäre selbst bei ausgeprägtem senilem Geiz nicht möglich gewesen. Woher kam es dann? Vom Enkel natürlich. Der hatte das Geld bei der Oma geparkt. Damit es nicht bei ihm gefunden werden konnte. Von der Polizei (die Polizei war noch die günstigste Variante), es konnten ja auch dunklere Mächte sein als die österreichische Exekutive, vielleicht hatte Manfredo einen Unterweltboss beklaut, und jetzt war die halbe Russenmafia hinter ihm her; besser: hinter dem, der das Geld jetzt hatte … Aus, Schluss! Schott atmete tief durch und bemühte sich um eine Qigong-Übung, die er in einem Kurs gelernt hatte, damals noch mit Bianca.
Er beruhigte sich. Dass Manfredo Kontakt zu einer wie auch immer gearteten mafiosen Organisation hatte, war unwahrscheinlich; schließlich hieß das doch »organisiertes« Verbrechen.Manfredo hätte niemand, der ihn kannte, mit dieser Bezeichnung in Verbindung gebracht; der Typ war alles Mögliche, aber nicht organisiert. Eher hätte er die Rangliste des unorganisierten Verbrechens anführen können; einer jener aus der Verzweiflung geborenen Überfälle auf Postsparkassen und Tankstellen, von denen man in der Zeitung liest, ausgeführt mit Skimütze, einer Pistole aus dem Zweiten Weltkrieg vom Dachboden und einem Moped als Fluchtfahrzeug. Beute ein paar Tausend Euro. Nach diesen Räubern wurde dann erstaunlich lang erfolglos gefahndet, aber Manfredo hätte ganze Serien solcher Überfälle durchziehen müssen, um auch nur in die Nähe der Summe in jener Tasche zu kommen. Und warum sollte er das tun? Die Oma zahlte doch … In Frage kamen Drogen und Glücksspiel, oder als romantische Version eine anspruchsvolle Geliebte. In Frage kam vieles, das waren alles haltlose Spekulationen. Tatsache blieb, dass Manfredo den Tod seiner Großmutter verheimlichte. Und mit erstaunlicher Kaltblütigkeit nach dem Dieb und dem Zeugen seiner Bluttat suchte. Dieses erschreckende Verhalten passte nicht zu einem Manfredo als verhuschte Künstlerimitation, der nichts auf die Reihe
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