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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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brachte. Woher wusste man denn, dass die Tat im Affekt geschehen war? Eben: Das wusste man nicht. Er, Schott, hatte das nur angenommen, weil es so gut zum allgemein akzeptierten Manfredo-Bild der Nachbarschaft passte.
    Je länger er darüber nachdachte, desto unangenehmer wurden die Implikationen, die ein kaltblütiger Manfredo mit sich brachte. Denn dieser kaltblütige, im Gegensatz zum hysterischen von Emotionen geleitete Manfredo hatte die Oma nicht aus Wut, sondern mit Vorbedacht umgebracht. Und war dann auch nicht kopflos weggerannt, sondern … hatte sich versteckt, als der gutmütige Nachbartrottel, ein gewisser Schott, mit lauten »Frau Leupold«-Rufen die Szene des Verbrechens betrat, gewissermaßen hineinplatzte. Manfredo musste annehmen,dass dieser Schott sofort die Polizei verständigte. Bis er entdeckte, dass besagter Schott ein Dieb war; Polizei war danach eher unwahrscheinlich. Also hatte sich Manfredo eine Zeitlang aus dem Haus zurückgezogen und aus der Ferne beobachtet, ob sich irgendwelche staatlichen Organe näherten. Das hatten sie nicht getan, die Organe, weshalb Manfredo davon ausgehen konnte, dass Schott nichts gemeldet hatte. Also konnte er in aller Ruhe die Oma beiseiteschaffen. Wie auch immer. Um sich dann diesem Schott zuzuwenden. Und die Sache zu Ende zu bringen … Die Türklingel unterbrach seine Überlegungen. Er war fast froh über die Unterbrechung. Je länger er über Manfredo nachdachte, desto scheußlicher wurden die Aussichten. Schott machte auf. Und draußen stand er. Manfredo.
    »Guten Tag«, sagte er, »entschuldigen Sie die Störung, ich bin der Enkel von der Frau Leupold …«
    »Weiß ich«, sagte Schott, »weiß ich doch.« Seine Stimme war ruhig, etwas leise, aber gefestigt. Wie bring ich das bloß zustande, dachte er. Wieso taucht der Kerl ausgerechnet jetzt auf. Als ob ich ihn herbeigedacht hätte … was bedeutet das?
    »Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie meine … unsere Katze gesehen haben, so eine weiße mit gelbem Schwanz, Sami heißt er, ein Kater …«
    »Kommen Sie rein.« Schott ging voran, überließ es Manfredo, die Haustür zuzumachen. In der Küche saß Sami neben seinem Futternapf und blickte die Eintretenden mit großen Augen an. Dann miaute er. Sami kam auf Manfredo zu, ließ das übliche Gegrummel hören, strich dem Ankömmling um die Beine. Eine Begrüßung, dachte Schott, wenn das keine Begrüßung ist, weiß ich auch nicht.
    »Samischatz!«, sagte Manfredo, bückte sich, streichelte das Tier, kraulte den Hinterkopf, worauf Sami den Kopf emporreckte, damit die Hand auch die Stirn mit einbezog, wo erdas Kraulen am liebsten hatte. Wie bei mir, dachte Schott, da macht er es genauso. Der geringelte Schwanz steil nach oben, die Spitze zitterte ein wenig, die Augen halb geschlossen. Nach dem Ratgeber »Meine Katze und ich«, den Schott mit einem Sack Trockenfutter im BayWa-Gartencenter erstanden hatte, waren das Anzeichen einer Katze, die sich wohl und geborgen fühlte. Und nicht einer Katze, die zugesehen hatte, wie dieser Mensch das Frauchen umgebracht hatte; nicht einmal bedroht hatte er sein Frauchen, nicht herumgebrüllt oder so. Schott entspannte sich. Er stand neben dem Herd, seine Hand umfasste den Henkel des großen Topfes, den Schott vorhin abgewaschen hatte; nein, umklammerte ihn. Schott fiel ein, dass er vorgehabt hatte, den Boden ebendieses großen Topfes Manfredo auf die Nase zu dreschen, dann, nachdem das Nasenbein gebrochen war, den unteren Topfrand, wo der Edelstahl besonders dick war, gegen die übrigen Gesichtspartien einzusetzen, bis der verreckte Lump ausspuckte, wo er die Oma hingetan hatte … Schott ließ den Topf los.
    »Ich hab versprochen, ich pass auf die Katze auf«, sagte Manfredo, »sie hat es mir noch am Telefon extra eingeschärft, bevor sie gefahren ist …«
    »Er stand einfach vor der Tür und hat gekrächzt«, sagte Schott. »Er hat mir leid getan.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen«, sagte Manfredo. »Bei mir hat sich was verzögert, drum bin ich zu spät gekommen … er scheint sich bei Ihnen wohlzufühlen.«
    »Ja, soweit ich das beurteilen kann, er frisst auch das Futter, das ich gekauft habe, ich hab ja nicht gewusst, welches Ihre Frau Großmutter sonst …«
    »Ach, das passt schon, Sami frisst eigentlich alles!«
    »Und jetzt wollen Sie ihn abholen?«
    Manfredo erhob sich, Sami widmete sich wieder dem Napf.
    »Eigentlich …«, begann Manfredo, verstummte dann, alssei ihm eine Idee

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