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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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ihn Manfredo. »Meine Oma hat das immer penibel durchgezogen, es ist auch nicht so ohne, die Katzengrippe und das ganze Zeug. Ach ja, impfen lassen sollten Sie ihn bei der Frau Dr. Rhomberg, das ist so eine Art Tierklinik, da können Sie auch im Notfall hin …« Er schien froh zu sein, dass sich das Gespräch wieder auf den Kater konzentrierte. Schott bemerkte das, war aber beunruhigt.
    »Was meinen Sie mit Notfall?«
    »Wenn er einen Unfall hat oder so. Auto…«
    »Ist das schon einmal vorgekommen?«
    »Gott sei Dank nicht! Aber Sie wissen doch, wie das hier ist. Immer mehr Raser.«
    »Also zu Frau Dr. Rhomberg. Gut, werd ich mir merken …«
    »Und keine gekippten Fenster, bitte!«
    »Ja, davon hab ich in dem Katzenbuch gelesen. Sind Todesfallen, diese Kippfenster.«
    Manfredo erhob sich. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie den Sami nehmen, Herr Schott. Ich weiß ja nicht, ob der neue Bewohner mit Katzen klarkommt. Viele Leute sind allergisch.« Darauf wusste Schott nichts mehr zu antworten – er äußerte nur noch die Bitte, die Frau Großmutter schön grüßen zu lassen, was Manfredo versprach.
    Sie verabschiedeten sich. »Ich hätte es fast vermasselt«, sagte Schott, als der Nachbar gegangen war. Er sprach zu Sami, der mit dem Essen fertig war und aus großen Augen zu ihm aufsah. »Aber ich glaube, er hat keinen Verdacht geschöpft, was meinst du?« Sami kam auf ihn zu, strich ums linke Bein und ließ einen leisen, undefinierbaren Laut hören. Man könnte glauben, dass er mich versteht und mit mir spricht, dachte Schott. Vollkommen irr. Alleinstehende Menschen, die mit ihren Haustieren sprechen. Dazu gehör ich schon. Oder schon bald.

    *

    Am nächsten Tag kamen Manfredo und Dr. Nowak gewisse Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Beerdigungsaktion. In welchen Wald sollte man die Oma überhaupt hineinbekommen? Rund um Dornbirn gab es genug Wälder, alle von ausreichender Größe lagen in der Höhe. Manfredo hatte Bedenken. »Wir müssen gut überlegen, wo. Das hier ist nicht Finnland. Wenn ich dort jemanden begraben will, fahr ich einfach ein paar Meilen in den Wald …«
    »Warst du schon dort?«
    »In Finnland? Nein, ich stell mir das nur so vor …«
    »Wir können deine Oma aber nicht gut nach Finnland exportieren.«
    »Ich will ja nur sagen, dass es hier einfach schwieriger ist. Es sind zu viele Leute unterwegs.«
    »In der Nacht?«
    »Liebespaare, Jäger …«
    »Ich wiederhole mich: in der Nacht?«
    »Du glaubst nicht, was bei uns alles los ist. Im Gemeindeblatt annonciert einer eine Mondscheinwanderung!«
    »Mondschein haben wir doch ausgeschlossen, wir machen das bei Neumond. Morgen.« Dr. Nowak fand das kindisch, weil in diesen Breiten im späten Herbst der Himmel sowieso dauernd bewölkt war, Neumond hin oder her, aber er sagte nichts. Auch das Vorhaben selbst wurde nicht in Frage gestellt.
    Der Neumond kam. Wider Erwarten hatte sich zwei Tage vorher ein Hochdruckgebiet über Mitteleuropa etabliert, die Wolken schwanden, der Himmel wurde sternenklar. Diese Sterne strahlten in aller Pracht, dass Dr. Nowak fast glaubte, die Schlagzeile der »Vorarlberger Nachrichten« lesen zu können, als er um acht Uhr am Abend vors Haus trat. »Es ist nicht günstig heute«, sagte er zu Manfredo, der hinter ihm stand. »Es ist viel zu hell.«
    »Ach was. Heute bringen wir das hinter uns, basta.«
    »Jemand wird uns beobachten, das ist immer so, es kann gar nicht anders sein.«
    »Blödsinn! Niemand wird uns sehen. Wir warten noch ein paar Stunden, dann geht es los.«
    Dr. Nowak verzichtete auf eine Erwiderung. Das lag auch an seiner prekären Stellung. In einer sehr fundamentalen Weise war Manfredo sein Chef. Marx hatte doch recht, dachte er. Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein. Dieser Satz war ihm in den letzten Tagen oft durch den Kopf gegangen.Mit Manfredo war nicht zu reden, wenn der sich in etwas verbissen hatte. Dann musste es so gemacht werden, genau so. Am Abend seines Einzugs in die Leupold-Villa fand Dr. Nowak auf dem Kopfkissen im oberen Gästezimmer einen Umschlag mit viertausend Euro und einem Zettel, auf dem stand: KLEINE ANZAHLUNG! Nowak schätzte die Dezenz dieses Vorgehens, die Feinfühligkeit hätte er Manfredo nicht zugetraut; tatsächlich wäre es ihm unangenehm gewesen, das Geld »zugesteckt« zu bekommen – wobei jede Art der persönlichen Übergabe den Charakter des »Zusteckens« gehabt hätte. Wie Trinkgeld für einen Liftboy.
    Dr. Nowak kannte Manfredo

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