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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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sie in alle möglichen Winkel des Universums, in diesseitige und jenseitige Welten geführt haben mochte, aber kaum nach Alicante … fast hätte er sich dazu hinreißen lassen, von hinten, aus der zweiten Reihe heraus, in die Runde hineinzufragen, ob er das mit Spanien auch richtig verstanden habe. Im letzten Moment fiel ihm die Tasche mit dem Geld ein. Es war nicht ratsam, die Aufmerksamkeit dieses windigen Enkels auf sich zu lenken. Er entfernte sich von der Gruppe der Fleisch- und Wurstliebhaber, trödelte ein bisschen im Putzmittelgang herum, nahm noch was zum Geschirrspülenmit und wartete in der Deckung einer Pyramide aus sonderangebotenen Waschmitteltrommeln, bis Manfredo den Laden verlassen hatte.
    Er war verwirrt. Dieser Manfredo versuchte offenbar den Tod seiner Großmutter zu verheimlichen. Aber warum? Hatte er sie umgebracht? Nach den Fundumständen war Frau Leupold vom Tisch gefallen. Beim Auswechseln einer Glühbirne … Die Geschichte beschäftigte ihn den ganzen Weg nach Hause. Dort wartete Sami vor der Haustür. Schott erinnerte sich an die Katzenklappe, die er im Baumarkt besorgt hatte. Heute würde er sie einbauen, eine große Erleichterung für Sami, der dann nicht mehr auf der Terrasse oder hinter dem Haus herumlungern musste, bis sein neuer Mensch sich bequemte, eine Tür aufzumachen.
    Schott verstaute die Einkäufe, Sami strich ihm um die Beine und ließ jenes Grummeln vernehmen, halb Knurren, halb Krächzen, das Schott jedes Mal an ein wirkliches Sprechen denken ließ, als ob ihm, dem Menschen, in einer unbekannten Sprache etwas erzählt würde. Vielleicht war es aber auch nur eine Bitte um Futter. Sobald er den Napf, den er gleich am zweiten Tag ihrer Bekanntschaft besorgt hatte, mit Trockenfutter füllte, widmete sich der Kater dem Fressen. Die raunende Katzenrede hörte auf. Das wäre schön, wenn er die Sprache der Katzen verstünde. Wie der berühmte Dr. Doolittle – die Romane von Hugh Lofting hatte er als Kind gelesen; alle ausgeliehen von der Leihbibliothek der Arbeiterkammer. Für zwanzig Groschen für zwei Wochen. Viel später wurde dann auf fünfzig Groschen erhöht und noch einmal im Abstand von Jahrzehnten auf zwei Schilling; bald danach war er dann zum Studieren nach Innsbruck gegangen und hatte begonnen, Bücher zu kaufen. Er wollte sie besitzen, nicht ausleihen.
    Sami fraß das Trockenfutter; das Behagen, das er dabei empfand, strahlte er ab wie ein Leuchtturm sein Licht. Schott setztesich daneben auf einen Küchenstuhl und sah dem Kater zu. Er dachte nach.
    Er hatte nicht gesehen, wie Frau Leupold vom Tisch gefallen war. Tatsächlich gab es überhaupt keinen Hinweis für einen Sturz vom Tisch als die unmittelbare Nachbarschaft von Leiche und Möbelstück. Schott versuchte sich zu erinnern. Der Gedanke mit der Glühbirne war ihm ganz automatisch gekommen, wieso sollte Frau Leupold sonst neben dem Tisch liegen? Eine Schlussfolgerung, die er aufgrund seiner Zivildiensterfahrungen gezogen hatte; da hatte es in den acht Monaten einige Einsätze zu häuslichen Unfällen gegeben, die meisten Unfälle passierten zu Hause. Jemand stürzte irgendwo herunter, wo er nicht hätte hinaufsteigen sollen. Auf eine ungesicherte Leiter oder einen kippligen Stuhl. Ein Schädelbasisbruch war nie dabei gewesen, nur Armbrüche und Prellungen – lädierte Schlüsselbeine und Rippen hatten Kameraden zu versorgen gehabt. Für den Rettungssanitäter waren alle Möbelstücke potenzielle Todesfallen, von der Fußbank bis zum Tisch, der Großvater, der im Schlaf von der Ofenbank (!) gefallen war und sich das Genick gebrochen hatte, gehörte zu den unausrottbaren Rot-Kreuz-Mythen. Keiner hatte so einen Fall selbst erlebt, aber viele hatten davon gehört, dass es in Imst passiert sei oder in Kufstein. Manche, das musste man auch zugeben, fielen einfach um, ihnen wurde der aufrechte Gang zum Verhängnis, ganz ohne Einrichtungsgegenstände. Am sichersten wäre, dachte Schott, wenn sich die Menschen kriechend fortbewegen würden. In möbellosen Wohnungen, dann würde niemand umfallen und niemand aus der Höhe herabfallen können … Er lächelte bei dem Gedanken. Bei der Rettung war es im Großen und Ganzen besser gewesen, als er befürchtet hatte. Vielleicht hätte er dabeibleiben sollen. Statt das Studium zu schmeißen, zu heiraten und Zeitungsfuzzi zu werden.
    Er musste sich konzentrieren: Was wies denn noch auf einenUnfall hin? Die deformation professionelle hatte ihn einen solchen ganz natürlich

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