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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Gonzales Leupold nicht gut genug, um seine Eile betreffs der Beerdigungsaktion richtig einschätzen zu können. Er hielt ihn für einen Windhund, einen unsoliden Zeitgenossen, eine »Künstlernatur« – kurz: Er pflegte das alte Vorurteil der Naturwissenschaftler allen Leuten gegenüber, die nicht wissen, was ein Logarithmus ist: dass es nämlich Trottel sind, die nichts auf die Reihe kriegen. Unter anderen Umständen hätte er sich der idiotischen Aktion verweigert, aber der Verlust seiner Anstellung hatte bei ihm nicht nur zum Verlust der Selbstachtung geführt, wie das bei vielen Naturwissenschaftlern der Fall ist, sondern auch zu einer Einschränkung des Selbsterhaltungstriebs. Wenn sie gesehen wurden, na ja, dann wurden sie eben gesehen, dann hat es halt sein sollen. Was wäre das überhaupt für ein Paragraf? Störung der Totenruhe – das gab es, aber bezog sich das nicht darauf, dass jemand ausgegraben wurde? Sie wollten doch jemanden eingraben … das war sicher auch verboten, aber vielleicht nur eine Ordnungswidrigkeit, ein Verwaltungsdelikt wie Geschwindigkeitsüberschreitung oder Fahren gegen die Einbahn. Immerhin hatten sie niemanden umgebracht. Seine verquere Gemütslage hinderte Dr. Nowak, die plötzliche Eile Manfredos zu hinterfragen. Er hätte sich auch überlegen müssen, dassder Halbspanier seit Jahren mit illegalen Substanzen handelte. Mit Erfolg, ohne erwischt zu werden. Dazu war eine gewisse Gerissenheit nötig und kaltes Blut, das Manfredo auch bei der Entdeckung der Leiche seiner Großmutter bewiesen hatte. Er war keiner, der die Nerven wegwarf, wenn Schwierigkeiten auftauchten. Aber all dies bedachte Dr. Nowak in seiner Chemikerarroganz nicht und unterließ das Nachbohren.
    Denn das Beharren Manfredos auf dem heutigen Termin hatte seinen spezifischen Grund in Form eines Zettels, den er aus dem gestern im Briefkasten vorgefundenen DIN-A4-Umschlag hervorgezogen hatte. Im ersten Anschauen hielt er das Ganze für einen idiotischen Werbegag – Druckbuchstaben, die aussahen wie aus einer Zeitung ausgeschnitten; die Idee eines Kreativen einer hiesigen Agentur, das sähe ihnen ähnlich, und gehen würde es um irgendeinen Provinz-Event im weitesten Sinne künstlerischer Natur; aber beim zweiten Hinschauen, vor allem aber beim Lesen des Textes musste Manfredo erkennen, dass die Buchstaben nicht nur so aussahen wie aus der Zeitung ausgeschnitten, sondern ausgeschnitten waren , und inhaltlich war es keine Reklame, sondern eine hundsnormale Erpressung.

    DU HAST DEINE OMA UMGEBRACHT – 200.000 EURO!

    Viel angetan hatte sich der Erpresser mit diesem Schreiben nicht. Die Adresse auf dem Umschlag in Blockbuchstaben, als Absender stand auf der Rückseite doch tatsächlich: »Walter Nemesis, Schillerstraße 1, Feldkirch«. Das war, wie Manfredo wusste, die Adresse des Oberlandesgerichtes. »Nemesis« bedurfte ohnehin keiner Interpretation. Poststempel aus Dornbirn.
    Manfredo überlegte. Da wusste also jemand, dass die Oma tot war. Dass Manfredo sie umgebracht hatte, war eine Folgerungvon diesem Jemand, der die tote Frau Leupold vor Manfredo entdeckt hatte. Es war jemand im Haus gewesen. Und gegangen, bevor Manfredo auftauchte. Ebenjener Manfredo, der selbst an dem Schlamassel schuld war – musste er doch im SPAR von der nach Spanien verreisten Oma herumtönen, dass es ja alle mitkriegten: dass die Frau Dr. Leupold nicht mehr hier war. Wer anders als der Mörder würde eine solche Vertuschungsaktion starten? Für einen Zufallsbeobachter war der Schluss völlig logisch. Moment: Wenn derjenige diesen Schluss zog, hieß das, er konnte sich keinen anderen Grund vorstellen, aus dem Manfredo den Tod der Großmutter vertuschte – und das hieß ja dann wohl, dass er keine Ahnung von den geschäftlichen Aktivitäten der Frau Leupold und ihres Enkels hatte. Das war eine positive Erkenntnis, Manfredo entspannte sich. Blieb die absurd hohe Forderung. Wie kamen die oder wie kam der auf zweihunderttausend Euro? Glaubte man da, es sei in der Familie Leupold so viel Geld vorhanden? Wer das Wort »Nemesis« kannte und einen Scherz mit der Landesgerichtsadresse machte, verfügte über eine gewisse Bildung und Weltläufigkeit, man durfte davon ausgehen, dass er wusste, was allein für Unterhaltskosten so ein Kasten verursachte, also kein Unterschichterpresser, für den alle Villenbewohner »reich« sind. So einer hätte »Millionen« gefordert. Ohne die geringste Vorstellung, wie viel das wirklich ist. Und ja doch:

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