Das unsichtbare Grauen
oder sonst etwas Schreckliches getan, wenn ich seinem Wunsch nicht gefolgt wäre«, fügte Dr. Robarth verzweifelt hinzu. »Außerdem ist es sinnlos, darüber zu reden: Es ist geschehen! Er ist wieder da! Er wird mich töten!«
»Unsinn, Liebling«, versuchte die Frau den Arzt zu beruhigen. »Du solltest dich entspannen. Fahr doch hinaus zu >Talbot »vielleicht hast du recht.« Der Chirurg erhob sich und hauchte seiner Frau einen Kuß auf die Stirn.
Zur gleichen Zeit betraten der jüngere und der ältere Mann ihr Hotel am Münchner Lenbachplatz. Der Ältere - der internationale Bankräuber und Killer Boroff - wandte sich zum Empfang, um den Zimmerschlüssel zu verlangen.
Weder sah et das Glitzern des Kameraobjektives hinter einem der Ziersträucher im Foyer, noch hörte er das Klicken des Verschlusses. Gemeinsam mit seinem Begleiter ging er zum Lift, um hinaufzufahren. Unterdessen bewegten sich die Blätter des Zierstrauches fast unmerklich. Sekunden später stieß einer der jungen Pagen mit jemand zusammen und wandte sich um. »Entschuldigen Sie bitte«, stammelte er. Aber kein Mensch war in seiner Nähe. Merkwürdig! Doch ein Auftrag des Politikers lenkte die Aufmerksamkeit des Pagen ab. Er dachte nicht weiter an den Zusammenstoß.
Es war etwa drei Stunden später. In den Stallungen der Reitanlage herrschte der übliche Nachmittagsbetrieb. Auch der Tierarzt war da, um nach einer jüngeren Stute zu schauen. Sein Wagen war offen. Niemand kümmerte sich darum: Niemand sah daher auch, wie eine der Türen geöffnet wurde und eine unsichtbare Hand sich an den Instrumenten und Heilmitteln des Veterinärs zu schaffen machte. Eine Injektionsspritze bewegte sich und eine gläserne Ampulle, in der sich ein starkes, aber harmloses Beruhigungsmittel für Pferde befand.
Kurz darauf rollte die Schiebetür zur Boxe des Vollbluthengstes »Talbot« beiseite. Neugierig sah der Hengst auf.
Ruhig blieb er stehen, während sich' das Stroh unter unsichtbaren Füßen bewegte. Dann zeugte ein Einstich im Hals davon, daß eine Injektionsnadel das Beruhigungsmittel in den Kreislauf des Tieres brachte. Bald stand der feurige Hengst ruhig und apathisch da und interessierte sich nicht im geringsten mehr für seine Umwelt.
Auch als sein stolzer Besitzer Dr. Robarth zu ihm in die Box trat, rührte er sich nicht.
»He, Talbot, alter Junge, was ist denn?« fragte der Chirug besorgt und tötschelte das Tier. Er bemerkte nicht, wie die Boxentür zugeschoben wurde und der Bolzen den Riegel festhielt. Erst als zu seinen Füßen ein »Knallfrosch« losging, sprang er beiseite. Fast 20 Sekunden dauerte das Knattern, das den Hengst normalerweise wild gemacht hätte vor Angst. Doch das Beruhigungsmittel ließ ihn alles ertragen.
»Verdammter Unfug!« rief Dr. Robarth, als einer der Stallburschen ihn aus der Box befreite. »Das hätte einen bösen Unfall geben können.«
Aber weil sein Hengst »Talbot« 15 Minuten später wieder lebhaft und wach wirkte, maß er der ganzen Sache keine weitere Bedeutung bei.
Der Chef des Raubdezernates im Polizeipräsidium drehte zur gleichen Zeit ein Foto hin und her, auf dessen Rückseite in Druckschrift vermerkt war: »Bornoff mit neuem Gesicht. Z. Z. im Hotel am Lenbachplatz, zusammen mit Komplizen.«
Eine Stunde darauf war der Verdächtige festgenommen. Seine Fingerabdrücke bewiesen, daß es sich um den Gesuchten handelte.
»Verzeihung, gnädige Frau, Sie sind doch Frau Robarth«, sagte ein höflich lächelnder junger Mann in der Briennerstraße, wo Annelie Robarth einige Einkäufe tätigte.
»Ja«, sagte die Arztfrau erstaunt.
»Ihr Mann braucht keine Sorge mehr zu haben. Der Anschlag im Stall ist ja mißlungen. Und Boroff wurde inzwischen festgenommen.«
»Ja aber - wer sind Sie? Woher wissen Sie, daß mein Mann ...«
Die junge Frau schwieg verblüfft. Wo eben noch der höfliche junge Mann stand, war plötzlich nichts weiter als Straßenpflaster. Der junge Mann war spurlos verschwunden!
Drei seltsame und unerklärliche Ereignisse in drei enfernten Gegenden der Erde, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten, bewegten die Behörden oder die Betroffenen. Es schien keinen Zusammenhang zu geben - und dennoch war da etwas, das diese Ereignisse gemein hatten: ihr unsichtbarer Held bewies eine gehörige Portion Kühnheit und zeigte zugleich einen Hauch von Humor,
Weitere Kostenlose Bücher