Das Urteil
langer Abwesenheit zurück.
Nicholas sprach ihn an. »Wir haben ein Urteil gefällt, Lonnie.«
»Was für eine Überraschung. Wieviel?«
»Vierhundert und zwei Millionen Dollar«, sagte Savelle. »Oder ein paar Millionen mehr oder weniger.«
Lonnie sah zuerst Savelle an und dann Nicholas. »Soll das ein Witz sein?« fragte er fast unhörbar.
»Nein«, sagte Nicholas. »Es stimmt, und wir haben neun Stimmen. Möchten Sie sich uns anschließen?«
»Auf gar keinen Fall.«
»Kaum zu glauben, nicht wahr?« sagte Savelle. »Und stellen Sie sich vor, wir werden alle berühmt werden.«
»So etwas hat es noch nie gegeben«, sagte Lonnie.
»Doch«, entgegnete Nicholas. »Texaco ist vor ein paar Jahren zu zehn Milliarden Dollar verurteilt worden.«
»Ach, dann ist das also ein gutes Geschäft?« sagte Lonnie.
»Nein«, sagte Nicholas im Aufstehen. »Das ist Gerechtigkeit.« Er ging zur Tür, öffnete sie und bat Lou Dell, Richter Harkin mitzuteilen, daß seine Jury zu einem Urteil gelangt war.
Während sie eine Minute warteten, nahm Lonnie Nicholas beiseite und fragte flüsternd: »Gibt es irgendeine Möglichkeit, meinen Namen da herauszuhalten?« Er war eher nervös als wütend.
»Natürlich. Machen Sie sich keine Sorgen. Der Richter wird uns alle einzeln fragen, ob das unser Urteil ist. Wenn er Sie fragt, brauchen Sie nur dafür zu sorgen, daß alle Leute wissen, daß Sie damit nichts zu tun hatten.«
»Danke.«
42
L ou Dell nahm die Nachricht ebenso wie die früheren entgegen und gab sie Willis, der damit den Korridor entlangging und dann um eine Ecke verschwand. Er lieferte sie persönlich bei Seinen Ehren ab, der in diesem Augenblick gerade telefonierte und darauf brannte, das Urteil zu hören. Er hatte schon massenhaft Urteile gehört, aber er hatte so eine Ahnung, als könnte in diesem einige Sprengkraft stecken. Er war sich ziemlich sicher, daß er eines Tages über einen bedeutenderen Zivilprozeß präsidieren würde, konnte sich einen solchen aber im Augenblick nicht vorstellen.
Die Nachricht lautete: »Richter Harkin. Könnten Sie veranlassen, daß ein Deputy mich aus dem Gericht eskortiert, sobald wir entlassen worden sind? Ich habe Angst. Ich werde es Ihnen später erklären. Nicholas Easter.«
Seine Ehren erteilte einem vor seinem Amtszimmer wartenden Deputy die entsprechenden Anweisungen, dann machte er sich zielstrebig auf den Weg durch die Tür und in den Gerichtssaal, wo die Luft dick zu sein schien vor Hangen und Bangen. Die Anwälte, von denen sich die meisten in ihren nicht weit entfernten Büros aufgehalten hatten, eilten den Mittelgang entlang und begaben sich auf ihre Plätze, alle nervös und aufs äußerste gespannt. Zuschauer kehrten zurück. Es war kurz vor acht Uhr.
»Mir ist mitgeteilt worden, daß die Jury zu einem Urteil gelangt ist«, sagte Harkin laut in sein Mikrofon, und er konnte die Anwälte zittern sehen. »Bitte, bringen Sie die Geschworenen herein.«
Sie erschienen mit ernsten Gesichtern, wie alle Geschworenen in einer solchen Situation. Ungeachtet dessen, welche gute Nachricht sie der einen oder der anderen Seite bringen, und ungeachtet dessen, wie einig sie sich sind - ihre Augen sind immer niedergeschlagen, was beide Seiten veranlaßt, in sich zusammenzusacken und mit dem Schmieden von Plänen für die Berufung anzufangen.
Lou Dell nahm das Formular von Nicholas entgegen und händigte es Seinen Ehren aus, der es irgendwie schaffte, es zu überprüfen, ohne eine Miene zu verziehen. Er gab auch nicht den leisesten Hinweis auf die niederschmetternde Nachricht, die er in der Hand hielt. Das Urteil war ein unvorstellbarer Schock für ihn, aber verfahrensrechtlich konnte er nichts dagegen tun. Formell war alles in Ordnung. Später würde es Anträge auf Reduzierung geben, aber im Moment trug er Handschellen. Er faltete das Formular zusammen und gab es Lou Dell zurück, die damit zu Nicholas ging. Er erhob sich und war zur Verkündung bereit.
»Mr. Obmann, verlesen Sie das Urteil.«
Nicholas entfaltete sein Meisterwerk, räusperte sich, sah sich rasch um, um festzustellen, ob Fitch im Saal war, und als er ihn nicht entdecken konnte, las er: »Wir, die Geschworenen, entscheiden zugunsten der Klägerin, Celeste Wood, und erkennen auf Schadensersatz in Höhe von zwei Millionen Dollar.«
Das allein war schon ein Präzedenzfall. Wendall Rohr und seine Truppe von Prozeßanwälten stießen einen gewaltigen Erleichterungsseufzer aus. Sie hatten gerade Geschichte gemacht.
Aber
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