Das Urteil
hier im Zimmer durchdiskutiert worden, jedesmal, wenn sie auf der Liste auf seinen Namen stießen und sein Gesicht auf der Leinwand erschien. Sie waren so gut wie entschlossen, das Ganze als harmlose Lüge zu betrachten.
Er rauchte nicht. Im Laden herrschte striktes Rauchverbot, aber er war gesehen (nicht fotografiert) worden, wie er im Food Garden ein Taco aß, zusammen mit einer Kollegin, die zu ihrer Limonade zwei Zigaretten rauchte. Der Rauch schien Easter nicht zu stören. Zumindest war er kein fanatischer Antiraucher.
Das Gesicht auf dem Foto war schlank und braungebrannt und lächelte leicht mit geschlossenen Lippen. Das weiße Hemd unter dem roten Ladenjackett hatte einen nicht angeknöpften Kragen, und er trug eine geschmackvoll gestreifte Krawatte. Er wirkte nett, gut in Form, und der Mann, der das Foto gemacht hatte, hatte sogar mit Nicholas gesprochen, angeblich auf der Suche nach irgendeinem veralteten Ersatzteil, und meinte, er sei redegewandt, hilfsbereit, kenntnisreich, ein netter junger Mann. Sein Namensschild wies Easter als Co-Manager aus, aber es gab in dem Laden noch zwei weitere Verkäufer mit demselben Titel.
Einen Tag, nachdem das Foto aufgenommen worden war, betrat eine attraktive junge Frau in Jeans den Laden und zündete sich, während sie sich die Software anschaute, eine Zigarette an. Zufällig war Nicholas Easter der ihr am nächsten stehende Verkäufer oder Co-Manager oder was immer er war, und er trat höflich auf die Frau zu und bat sie, ihre Zigarette auszumachen. Sie gab sich verärgert, ja beleidigt, und versuchte ihn zu provozieren. Er blieb dennoch zuvorkommend und erklärte ihr nur, daß in dem Laden ein striktes Rauchverbot herrsche. Es stünde ihr frei, woanders zu rauchen. »Stört es Sie, wenn geraucht wird?« hatte sie gefragt und einen Zug getan. »Eigentlich nicht«, hatte er erwidert. »Aber es stört den Mann, dem dieser Laden hier gehört.« Dann hatte er sie abermals gebeten, ihre Zigarette auszumachen. Im Grunde sei sie ja auch wegen eines neuen Digitalradios da, erklärte sie ihm, also, wäre es wohl möglich, daß er ihr einen Aschenbecher besorgte? Nicholas holte eine leere Coladose unter dem Tresen hervor, nahm ihr die Zigarette ab und drückte sie aus. Sie unterhielten sich zwanzig Minuten über Radios, während sie sich bemühte, ihre Wahl zu treffen. Sie flirtete schamlos, und er nützte die Chance. Nachdem sie das Radio bezahlt hatte, gab sie ihm ihre Telefonnummer. Er versprach, sie anzurufen.
Die Episode dauerte vierundzwanzig Minuten und wurde von einem kleinen, in ihrer Handtasche versteckten Recorder aufgezeichnet. Das Band war beide Male abgespielt worden, während die Anwälte und ihre Experten sein auf die Leinwand projiziertes Gesicht studierten. Ihr schriftlicher Bericht über das Zusammentreffen lag in der Akte, sechs maschinegeschriebene Seiten mit ihren Beobachtungen über alles von seinen Schuhen (alte Nikes) über seinen Atem (Zimt-Kaugummi) und sein Vokabular (College-Niveau) bis hin zu der Art, wie er mit der Zigarette umging. Ihrer Ansicht nach, und sie hatte Erfahrung in solchen Dingen, hatte er nie geraucht.
Sie lauschten seiner angenehmen Stimme mit dem professionellen Verkäufertonfall und seinem netten Geplauder, und sie mochten ihn. Er war intelligent und kein absoluter Tabakhasser, nicht gerade ihr Modell-Geschworener, aber eindeutig jemand, den man im Auge behalten mußte. Das Problem mit Easter, Anwärter auf das Amt eines Geschworenen Nummer sechsundfünfzig, war, daß sie so wenig über ihn wußten. Wie es schien, war er vor weniger als einem Jahr an der Golfküste gelandet, und sie hatten keine Ahnung, wo er herkam. Seine Vergangenheit lag vollkommen im dunkeln. Er hatte acht Blocks vom Gerichtsgebäude von Biloxi entfernt eine kleine Wohnung gemietet - sie hatten Fotos von dem Mietshaus - und zuerst als Kellner in einem der Kasinos am Strand gearbeitet. Dann war er schnell zum Geber am Blackjack-Tisch aufgestiegen, hatte aber nach zwei Monaten gekündigt.
Kurz nachdem Mississippi das Glücksspiel legalisiert hatte, waren über Nacht an der Küste ein Dutzend Kasinos aus dem Boden geschossen und hatten einen heftigen Konjunkturaufschwung ausgelöst. Jobsucher kamen aus allen Richtungen, und so konnte man mit einiger Gewißheit annehmen, daß Nicholas Easter aus denselben Gründen nach Biloxi gekommen war wie zehntausend andere Leute auch. Das einzig Merkwürdige daran war, daß er sich so schnell in die Wählerliste hatte
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