Das Urteil
fünf nach sieben aus der Klinik nach Hause. Na ja, fast jeden Tag. Wenn er heimkam, freute er sich auf seinen Laphraoig - sechs Zentiliter - mit einem Eis würfel darin, während sie das Essen auf den Tisch brachte.
Achtzehn nach sieben.
Sie fragte sich, ob sie den Herd ausschalten sollte. Würde Larry immer noch zuerst seinen Drink haben wollen? Falls ja, was war dann mit dem Essen? Sie konnte es auf den Tisch stellen, aber dann wäre es kalt, wenn er sich auf seinen Stuhl setzte. Larry konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn sein Essen kalt war.
Schlimmer noch, er könnte denken, sie wolle ihn drängeln. Das konnte er nach einem langen Tag mit seinen Patienten überhaupt nicht brauchen, daß ihm jemand in seinem Haus sagte, er solle sich beeilen.
Der Spargel war das Problem.
Wenn Larry nun in genau einer Minute zur Tür hereinspazierte und sich sofort zu Tisch setzen wollte, und der Spargel war noch nicht fertig? Er mußte genau neunzig Sekunden im Dämpfer bleiben - wenn es etwas gab, das Larry partout nicht ertrug, war es schlaffer, triefender Spargel. Vielleicht konnte sie, wenn er hereinkam, beim Auftragen des übrigen Essens ein bißchen trödeln, und dann wäre der Spargel genau zum richtigen Moment perfekt. So würde sie es machen.
Es war ein bißchen riskant, aber besser, als ihn jetzt in dem Glauben aufzusetzen, Larry würde rechtzeitig heimkommen und sich gleich zu Tisch setzen wollen, und dann käme er verspätet, und der Spargel wäre zerkocht.
Kein Anzeichen, daß sein Lexus die Straße hochfuhr. Kein Mensch fuhr die Straße hoch. Wo steckte er? Verdammt, sie biß sich schon wieder auf die Unterlippe.
Zwanzig nach sieben. Sie drehte die Flamme unter dem Reis aus. Zumindest der würde noch ein Weilchen akzeptabel bleiben, wenn sie den Topf abdeckte -jedes Korn für sich, genau wie Larry es mochte.
Sie vergewisserte sich, daß das Wasser kurz vorm Sieden stand und daß genug davon im Dämpfer war. Alles hing davon ab, daß sie den Spargel aufsetzen konnte, sobald Larry zur Tür hereinkam. Noch besser, sobald sie in hörte. Wenn das Wasser nicht vor dem Siedepunkt war oder sich unten im Dämpfer sammelte, wäre alles verdorben.
Um Viertel nach acht hatte sie den Braten aus dem Herd genommen, das Wasser im Dämpfer dreimal nachgefüllt und Butter zum Reis getan, damit er nicht klebrig wurde, aber jetzt bestand keine Hoffnung mehr. Um fünf nach halb acht hatte sie Larry seinen Whisky eingeschenkt und den Eiswürfel ins Glas getan, der jetzt längst geschmolzen war. Um Punkt acht goß sie den verwässerten Drink in die Spüle.
Sie hörte seine Schritte draußen auf dem Gehweg. Mein Gott, sie hoffte, daß er einen Parkplatz in der Nähe gefunden hatte. Manchmal gab es, wenn man spät nach Hause kam, einige Querstraßen weit nirgends einen freien Platz, und dann war er immer richtig schlecht gelaunt.
Das Essen konnte vielleicht noch gerettet werden. Sie wußte, was sie tun konnte ... sie würde ihm gleich jetzt den neuen Whisky einschenken und einen neuen Eiswürfel dazutun, ihn an der Tür begrüßen und zwanzig Minuten zur Ruhe kommen lassen, bis die zweite Ladung Reis gar war. Sie konnte den Braten in der Mikrowelle auf niedriger Stufe wärmen, und dann würde er wahrscheinlich nicht zu trocken. Der Spargel war kein Problem.
Sie hielt seinen Drink in der Hand, als Larry die Tür aufmachte. Er war groß und sah sehr gut aus - mit dem Grübchen im Kinn und der straffen Figur jung für seine einundvierzig Jahre. Er hatte noch alle Haare auf dem Kopf und trug sie wellig und modisch lang. Ein italienischer Anzug, eine bunte Krawatte zu einem schneeweißen Hemd - Farben, sagte er, waren bei einer Krawatte in Ordnung, solange sie sich nicht bissen. Sie drückte ihm den Drink in die Hand, gab ihm ein Küßchen auf die Wange, lächelte ihn an.
»Wo bist du gewesen?«
Mein Gott, das hatte sie nicht sagen wollen. Es war ihr einfach so herausgerutscht, und auf der Stelle wünschte sie, sie könnte den Satz zurücknehmen.
»Was soll das heißen, wo bin ich gewesen? Was denkst du denn, wo ich gewesen bin?«
»Na ja, es ist spät, will ich damit nur sagen. Ich hab gedacht... ich hab mir Sorgen gemacht.«
»Du hast dir Sorgen gemacht. Na prima.« Er schien den Drink erst jetzt zu bemerken. »Was ist das?«
»Dein Whisky, Larry. Warum setzt du dich nicht hin und entspannst dich?«
»Wie spät ist es? Du weißt doch, daß ich keinen Drink vor dem Essen mag, wenn ich so spät heimkomme. Ich möchte
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