Das Urzeit-Monstrum
parken, um nicht aufzufallen. Den restlichen Weg können wir zu Fuß gehen.«
»Okay. Bleiben wir hier oben?«
»Das wäre besser.«
»Warum?«
»Möchtest du deinen deutschen Kollegen in die Arme laufen und möglicherweise noch Fragen beantworten müssen?« Ich hob die Schultern.
»Falsch gedacht, Harry. Diese Kollegen werden mich nicht kennen. Sie werden uns für normale Urlauber halten, die am Strand spazieren gehen.«
»Wenn du so denkst.«
»Laß uns mal nach unten gehen«, schlug ich lächelnd vor. »Schließlich bin ich nicht Michael Jackson, den beinahe jeder kennt.«
»Dann lieber der Krake«, sagte Harry.
Er blieb hinter mir, als wir nach unten stiegen. Der Blick auf das weite Watt war phänomenal. Der Himmel zeigte eine interessante Wolkenformation. Obwohl er von flachen, langgestreckten, grauen Wolken bedeckt war, zeigte er uns doch eine Weite, wie man sie von der Großstadt her nicht kannte und sie eben nur an der Küste erlebte. Mir kam es vor, als würden die Wolken hier viel höher schweben als in einer Großstadt, doch das kam durch die Weite. Im Norden der Insel, verschwommen zu erkennen, lag List, Deutschlands nördlichster Ort, dort gab es auch den berühmten Knick der Insel, den Ellenbogen, wo sich das Militär einquartiert hatte.
Nicht ganz so weit weg war die Ansammlung von Menschen, dort mußte der Fundort der Leiche sein, und da wollte ich auch hin.
Man konnte parallel zum Watt bequem gehen.
Auf einem breiten Weg, dessen sandige und mit Gras bewachsene Unterlage durch den Frost hart geworden war. Der Boden zeigte nur dort Nässe, wo die Sonnenstrahlen das Eis auftauten.
Wir gingen jetzt nebeneinander. Harry sprach davon, wie schön diese Insel doch war, wenn nicht dieser rätselhafte Fall die Schönheit für uns relativiert hätte.
»Es kommen auch wieder andere Tage«, tröstete ich ihn.
»Da bin ich nicht mehr hier.«
»Wie sieht es mit Urlaub aus?«
»Keine Ahnung.«
»Du kannst doch bestimmt ein paar Tage im Deich-Hotel dranhängen.«
»Kannst du das?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Eben, John, und ich weiß es auch nicht. Ich habe keine Ahnung, was noch anliegt, aber geschenkt bekomme ich mein Gehalt leider nicht.«
»Ja«, stöhne ich. »Wir sind schon arm dran.«
»Besser das, als Arm ab.«
»Richtig.«
Unser lockeres Gespräch verstummte, als wir uns dem Fundort der Leiche näherten.
Schon auf eine gewisse Entfernung hin war zu erkennen, wer zu den Polizisten gehörte, und wer hier als Tourist neugierig stehengeblieben war, und zwar in einer gewissen Distanz, als gäbe es eine imaginäre Absperrung.
Drei Uniformierte sahen wir, wobei einer einen Hund gebracht hatte. Er hockte neben dem Beamten, angeleint und den Kopf zu uns gedreht, als wollte er uns vor irgendwelchen Dummheiten warnen.
Zwei ebenfalls Uniformierte sprachen noch mit den Leuten, während sich ein Arzt im weißen Kittel über den Toten gebeugt hatte, der bereits in der Wanne lag. Ein Fotograf hüpfte ebenfalls herum. Er war dabei, einen neuen Film in die Kamera zu legen und schlug immer sein Schalende zurück, das der Wind jedesmal in eine falsche Richtung wehte. Dabei übertraf der Schal nicht die Länge der Haare.
Zwei weitere Männer in ziviler Kleidung redeten miteinander. Einer von ihnen machte sich Notizen. Er sah aus wie ein Bubi, der soeben die Polizeischule hinter sich gebracht hatte und sich hier auf Sylt seine ersten Sporen verdiente. Die Fahrzeuge der Polizisten standen oben am Ende des Deichs, wo auch der Notarztwagen seinen Parkplatz gefunden hatte.
Der Hund bellte, als wir näher kamen, und so mußte Harry Stahl laut sprechen. »Was ist denn hier passiert?«
Seine Frage hatte der ältere Beamte gehört. Er drehte sich von seinem jungen Assistenten weg und kam auf uns zu. Die Hände hatte er in den Taschen seines Wintermantels vergraben. Auf dem Kopf trug er eine ›Prinz-Albert‹-Mütze, und darunter sahen wir ein rundes Gesicht, aus dem uns zwei blaue Augen anfunkelten, als der Mann vor uns stehenblieb. »Ich bin Kommissar Peters«, stellte er sich vor. »Wir haben hier einen Toten gefunden und suchen Leute, die diesen Mann gekannt haben. Sie verbringen hier ein paar Tage Urlaub?«
Wir bestätigten seine Annahme durch unser Nicken.
»Gut. Schauen Sie sich den Toten an, wenn Sie mögen. Unter Umständen ist er Ihnen schon zu seinen Lebzeiten begegnet. Wenn nicht, müssen wir zu anderen Methoden greifen.«
»Das hört sich an, als wären wir Ihre letzte Hoffnung,
Weitere Kostenlose Bücher