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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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aufblickten und sie bemerkten. Sie war müde, aber sie hatte hier herauskommen und aufs Meer hinunterschauen wollen. Dorthin, wo Charles war, irgendwo. Seine Knochen schimmerten in den weißen Wellenkämmen, der Sand trug Spuren seiner Haut. Das Meer hatte ihn aufgenommen und zu einem Teil von sich gemacht. Sie beobachtete, wie Zach und Hannah gemeinsam ins Wasser sprangen, und beneidete sie. Sie wollte auch in ihm schwimmen. Sie wollte seine geisterhafte Berührung spüren, eine Hand an ihrem Bauch, die sie an der Oberfläche hielt. Stattdessen umkreiste sie die sanfte, gleich gültige Brise und ließ ihre Augen brennen. Der Strand unter ihr verschwamm, und sie blinzelte heftig, um wieder se hen zu können. Dort unten waren kleine Gestalten, und noch ehe Dimity sie richtig erkennen konnte, wusste sie, wer das war. Sie wusste es, und der nächste Atemzug fuhr ihr wie Glassplitter in die Brust.
    Delphine und Élodie spielten im Sand. Delphine stand adrett und ordentlich da, die gelbe Strickjacke zugeknöpft, das Haar zu zwei Zöpfen geflochten, und dirigierte den wilden Tanz ihrer Schwester. Élodie hüpfte und wirbelte herum, und ihre Fußabdrücke im Sand bildeten einen Kreis um Delphine. Sie hielt lange Streifen Tang in den Händen, die sie wie Bänder flattern ließ. Der Wind wehte vom Strand herauf und trug ihre Stimmen zu Dimity empor. Élodies Lachen, schrill und fröhlich, und Delphines Anweisungen, geduldig und liebevoll. Sie ließ ihre kleine Schwester spielen, sie ein Kind sein. Immer ein Kind. Die Stimme klang dicht an Dimitys Ohr, und als sie sich umdrehte, entdeckte sie Celeste neben sich, die mit stolzem, liebevollem Lächeln auf ihre Töchter hinabschaute. Celeste mit ihren prachtvollen Augen und ihrer Schönheit, die sie wie ein Lichtschimmer umgab – keine Spur eines Zitterns in ihrem Körper, keine Spur von Trauer in ihrem Gesicht. Der Tang in Élo dies Händen flatterte und knallte wie festliche Wimpel. Dimity rang nach Luft. Sie spürte einen Schmerz in ihrer Seite, im Herzen, stärker, als sie ihn ertragen konnte. Sie japste nach Luft wie ein gestrandeter Fisch und hielt sich mit der rechten Hand die linke Seite ihres Brustkorbs, wo sie eine klaffende Wunde spürte, durch die der kalte Wind hereindrang. Sie wollte bei ihnen bleiben, bei Élodie und Delphine. Sie wollte ihre strahlenden Gesichter sehen, die lächelnden Gesichter von Kindern, die geliebt wurden, die heil und ganz und sorglos glücklich waren. Sie wollte Élodies schwarzes Haar um ihre wirbelnde Gestalt fliegen sehen. Aber sie verblassten. Das Wasser stieg und spülte ihre Fußspuren weg. Delphine!, rief sie, doch kein Laut drang aus ihrem Mund. Celeste warf ihr einen ernsten Blick zu und blieb auf der Klippe stehen, als Dimity sich abwandte und mit langsamen, unsicheren Schritten zum Haus zurück kehrte.
    Im Haus herrschte Gedränge – es waren viel zu viele, weil sie ihr hierher gefolgt waren. Élodie lag bäuchlings auf dem Sofa und warf die Fersen in die Luft, und Delphine saß neben ihr. Jetzt waren sie anders. Sie waren nicht mehr fröhlich, diese Schatten. Sie warteten. Celeste ging in weiten Kreisen immer wieder um das Haus herum und suchte nach einem Weg herein, während Valentina Dimity unablässig mit schmalen Augen beobachtete. In ihrer aller Augen standen Vorwürfe, Andeutungen von Dingen, die so geheim waren, dass Dimity sich selbst kaum mehr daran erinnern konnte. So geheim, dass sie sich dazu gebracht hatte, sie zu vergessen. Aber die Aubrey-Mädchen hatten sie nicht vergessen, ebenso wenig wie Celeste oder ihre eigene Mut ter. Verzweifelt suchte Dimity das Haus ab, während die Schmer zen in ihrer Brust immer schlimmer wurden, aber Charles war nicht hier. Der eine, den sie wiedersehen wollte, der eine, nach dem sie sich sehnte. Von ihm war keine Spur zu finden. Sie taumelte zum Fuß der Treppe und stieg hinauf.
    Sein Zimmer wurde von der Nachmittagssonne erhellt, und die Tür stand offen. So achtlos, so gedankenlos offen gelassen. Diese Tür hatte nie, niemals so offen gestanden, seit er zu ihr zurückgekehrt war. Er hatte sie lieber zu. Dann fühlte er sich wohl, sicher und ungestört. Manchmal blickte er scharf auf, wenn sie hereinkam, als vergewisserte er sich, dass sie es war. Dieser kurze Moment der Angst in seinen Augen, ehe er sie erkannte – da drehte es ihr beinahe das Herz im Leibe herum, jedes Mal. Manchmal hatte er sie auch gar nicht bemerkt. Nun ging sie hinüber zu seinem Bett, in dem sie als Kind

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