Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
sich, die Wangen bewegten sich leicht. Doch letztendlich wollte er reden, das sah Zach ihm an. Er wollte sich die Last von der Seele reden.
»Der Arzt war im Pub, gleich am Abend, nachdem es passiert war. Dr. Marsh, der sie vorher im Krankenhaus gesehen hatte. Ich war auch da und habe ihn reden gehört. Er ist von einer Lebensmittelvergiftung ausgegangen. Die äl tere Tochter war oft unterwegs und hat Wildkräuter ge pflückt, mit Dimity.«
»Die ältere Tochter? Delphine?«
»Ja, genau die. Hat später den jungen Brock geheiratet. Der Arzt hat von den Symptomen erzählt, und ich habe gesehen, wie hinter seinem Rücken einige Blicke gewechselt wurden. Waren genug Leute dabei, die gewusst haben, wonach sich das anhörte.«
»Wonach denn?«
»Kuhtod«, antwortete Wilf knapp. »Schierling.«
»Himmel … Sie meinen, Delphine hat ihn irrtümlich gepflückt, und Élodie hat davon gegessen?«
»Entweder das, oder …«
»Oder was?«
»Der ist nicht leicht zu finden. Wasserschierling. Die Bauern reißen ihn aus, wenn sie welchen finden, weil er ihr Vieh umbringen könnte. Sie hätte schon verdammt weit laufen und verdammt großes Pech haben müssen, um Wasserschierling zu erwischen.«
»Also, was wollen Sie damit sagen? Dass es doch Absicht war?«
»Nein. Das sage ich nicht. Warum sollte die eine Schwester die andere vergiften? Und dabei riskieren, das ganze Haus umzubringen? Was hätte sie denn davon?«
»Na ja, nichts …« Zach verstummte, als ihm ein Schauer über den Rücken lief. Er blickte zu The Watch hinauf. »Delphine hätte nichts davon gehabt«, murmelte er.
»Dimity war in dem Spätsommer nicht sie selbst. Als sie aus Afrika zurückkamen. Was haben die sich dabei gedacht, ein Mädchen wie Mitzy überhaupt nach Afrika mitzunehmen? Dabei konnte einfach nichts Gutes herauskommen. Ich habe versucht, mit ihr zu reden, aber sie war nicht ganz bei Sinnen.« Wilf Coulson presste die Lippen zusammen und schüttelte zornig den Kopf. »So, das muss Ihnen genügen. Lassen Sie’s auf sich beruhen«, sagte er ernst. Zach bemerkte, dass die Fingerknöchel des alten Mannes weiß geworden waren, so fest umklammerte er die Hundeleine. Zach hielt einen Moment lang inne und begriff, was er befürchtete. »Ich werde ihr nicht sagen, was Sie mir erzählt haben. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort«, sagte er. Wilf Coulson lehnte sich ein wenig zurück, doch an seinem Gesichtsausdruck änderte sich nichts.
»Ich hätte sie trotzdem geheiratet, auch nach alledem«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich hätte sie trotzdem geheiratet, aber sie wollte mich nicht.« Er holte ein fadenscheiniges Taschentuch hervor und tupfte sich die Augen. Er tat Zach entsetzlich leid. Er wünschte, er könnte Wilf erklären, warum Dimity ihn nicht gewollt hatte – warum sie ihn nicht hatte heiraten können . Sie hatte an Charles denken müs sen, den sie liebte und versteckte und an dem sie etwas wiedergutmachen wollte.
»Ich danke Ihnen, Mr. Coulson. Danke, dass Sie mit mir gesprochen haben. Ich glaube, Dimity wird jetzt sehr müde. Ich denke, wenn Sie sie besuchen wollen, dann sollten Sie nicht mehr allzu lange damit warten.« Wilf warf ihm einen kurzen, verwunderten Blick zu, dann nickte er.
»Ich verstehe, mein Junge«, sagte er. »Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.«
Hannah ließ ihn mit einem Gesichtsausdruck ein, den Zach nicht deuten konnte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Lippen waren blass.
»Du hast angefangen, hier Ordnung zu machen«, be merkte er, als er sich an den langen Küchentisch setzte. Das Durcheinander auf den Arbeitsflächen hatte Lücken, und der Papierkram auf dem Tisch schien sich zu Stapeln zusammenzufinden, zu irgendeiner Art von Ordnung. An der Tür standen zwei prall gefüllte schwarze Müllsäcke, die dar auf warteten, rausgebracht zu werden. Hannah nickte.
»Mir war auf einmal danach. Es hat sich angefühlt, als wäre eine Ära vorbei, seit Ilir nicht mehr da ist.«
»Sind sie gut in Newcastle angekommen?«
»Ja.« Sie nickte. »Ja, alles in Ordnung. Na ja – einigermaßen. Bekim muss so bald wie möglich wegen seiner Bleivergiftung behandelt werden.«
»Das ist diese Chelat-Therapie, von der du gesprochen hast?«
»Ja. Die soll das Blei aus seinem Körper entfernen.«
»Also ist er wirklich schwer krank? Ich meine, mir ist aufgefallen, dass er sehr schlapp und benommen war, aber ich dachte, er sei nur erschöpft …«
»Es ist schlimmer, als du denkst. Die Nachwirkungen wird er sein
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