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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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möglicherweise in Gefahr war.
    Sie entschied sich dagegen, zumindest für den Moment. »Vielleicht weil ich glaube, dass Sie mir gegenüber nicht offen sind.«
    Esther Graf löste den Blick von ihr, sah auf den Couchtisch, die Fernbedienung in der Hand. Zusammengesunken saß sie da, in ihrer Miene spiegelten sich Erschöpfung und Verstörung.
    »In welchem Restaurant waren Sie, Esther?«
    »Ich weiß nicht mehr, wie es hieß.«
    »Wo ist es?«
    »Irgendwo in der Nähe des Hotels.«
    »Beschreiben Sie den Weg dorthin.«
    »Ich bin … mit der U-Bahn gefahren, ein paar Stationen. Irgendwann bin ich ausgestiegen und … «
    »An welcher Station?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie viele Stationen sind Sie gefahren?«
    »Ich habe nicht darauf geachtet.«
    »Woher hatten Sie die Fahrkarte?«
    »Aus einem Automaten.«
    »Und zurück?«
    »Aus einem anderen Automaten.«
    »Haben Sie sie noch?«
    »Nein, man … man hebt doch keine Fahrkarten auf.«
    »Und die Restaurantrechnung?«
    Graf schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie bar bezahlt oder mit Karte?«
    »Bar.«
    »Lag das Restaurant direkt an der U-Bahn?«
    »Ja … Also, ich weiß es nicht, vielleicht bin ich auch noch ein paar Schritte gegangen.«
    »Wann waren Sie dort?«
    »Um … gegen halb neun.«
    »Was haben Sie gegessen?«
    »Salat und Nudeln.«
    »Nudeln mit?«
    »Pesto.«
    »Ein italienisches Lokal?«
    »Ja.«
    Louise warf einen Blick auf das zweite Pizza-Viertel auf dem Teller vor ihr. Aber Esther Grafs Pizza essen, während sie sie in die Enge trieb?
    »Also ein italienisches Lokal, das vermutlich unmittelbar an der U-Bahn liegt. Welche Linie?«
    Wieder ein Achselzucken.
    »Das Hotel liegt an der U 7 «, sagte Louise. »Sie waren also in einem italienischen Restaurant, das vermutlich unmittelbar an der U 7 liegt. Da wird es nicht so viele geben.«
    »Ja«, murmelte Graf.
    »Mit wem haben Sie sich getroffen?«
    »Aber ich sage doch, ich war allein.« Graf legte die Fernbedienung auf den Tisch. »Vielleicht bin ich auch noch ein paar Schritte gegangen.«
    »Von der U-Bahn zum Restaurant?«
    »Ich glaube … ich bin die Treppe hoch und ein paar Minuten lang durch die Straßen gegangen. Irgendwo war dann das Restaurant.«
    »Ein paar Minuten von der U-Bahn entfernt.«
    »Ja.«
    »Sie waren verabredet, nicht wahr?«
    Graf antwortete nicht.
    »Wen haben Sie getroffen?«
    Stille senkte sich über den Raum. Dann stand Graf abrupt auf und verließ das Zimmer. Louise hörte sie die Treppe hinaufgehen, fast lautlos, nur ein leichtes Schaben war zu hören, wenn die Hausschuhe den Teppich berührten.
    Über ihr wurde eine Tür geöffnet und geschlossen.
    Dann herrschte wieder Stille.
     
    Fünf Minuten verstrichen. Esther Graf kam nicht zurück.
    Louise stand auf. Graf log, und es ging ihr nicht gut. Das wusste sie, mehr nicht. Auf welcher Seite ihre Zeugin stand, ob sie in Gefahr war oder für jemand anders eine Gefahr darstellte oder beides. Ob sie der Spionage verdächtigt oder vom Verfassungsschutz lediglich im Rahmen einer Personenüberprüfung durchleuchtet wurde. Und Sabotage oder Scientology? Kaum vorstellbar in Verbindung mit Esther Graf.
    Von oben kein Laut.
    Sie rief Kilian an. Nichts Auffälliges in der Umgebung von Grafs Haus, nur ein Liebespärchen, das seit zwei Stunden im Auto saß und sich nicht allzu leidenschaftlich küsste.
    »Die waren gestern auch da. Unsere Freunde aus Stuttgart.«
    »Dachten wir uns schon.«
    »Meldet euch, wenn sich was tut.«
    Sie unterbrach die Verbindung, wählte erneut. Wieder unendlich lange das Freizeichen, wieder der unfreundliche Bayer. Immerhin schien er grundsätzlich der Ansicht zu sein, dass der Polizei geholfen werden musste, selbst der badischen. Murrend sah er die Telefonlisten des vergangenen Samstags durch. Ja, Esther Graf war auf ihrem Zimmer angerufen worden, um 19 Uhr 11 , das Gespräch hatte knapp acht Minuten gedauert.
    Wusste er zufällig, ob beziehungsweise wann sie das Zimmer verlassen hatte?
    Nein, schließlich konnte er vom Prenzlauer Berg aus nicht durch Tausende Hauswände hindurchsehen.
    Louise verkniff sich eine Bemerkung. Vielleicht brauchte man den Bayern ja noch einmal.
    Sie erhob sich und trat in den Flur. Über dem Haus lag vollkommene Stille. An dem Wäschehaufen vorbei stieg sie die Stufen hinauf. Oben drei Türen, zwei davon waren geöffnet, in den Räumen Licht. Ein seit Wochen nicht geputztes Bad, ein kleines Gästezimmer. Anders als in den übrigen Räumen herrschte dort Ordnung. Weil Esther

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