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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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noch?«
    »Entfernt.«
    Wieder zwei Türen weiter: »Und jetzt?«
    »Nicht mehr.«
    »Mist, ist in meinem Kopf.«
    Ärztebüros, eine Putzkammer, Personaltoiletten, ein Ruheraum für die Pfleger, keine Patientenzimmer in diesem Flügel laut Gebäudeplan. Räume hinter abgeschlossenen Türen übersprangen sie, die Nachtschwester hatte ihnen den Generalschlüssel verweigert, solange kein Durchsuchungsbeschluss vorlag – den sie zweifellos auch nicht bekommen würden.
    Hin und wieder begegneten sie Mitarbeitern der Nachtschicht,
manche mit Habit, andere nicht. Im Ruheraum schlief eine Nonne, in der Toilette warteten sie angespannt vor einer abgeschlossenen Kabine, dann trat einer der Schutzpolizisten heraus. Auf dem Gang lief Faller ein paarmal an ihnen vorbei, seinem Blick entnahm Louise, dass er sie für nicht ganz zurechnungsfähig hielt. Sie dachte, dass er recht hatte, vielversprechend war die Suche nicht. Wenn Esthers Schutzengel nicht wollte, dass sie ihn fanden, würden sie ihn auch nicht finden.
    Falls er überhaupt hier war.
    Zwanzig Minuten später bogen sie in einen Quergang ein. Louise legte die Hände auf die Ohren, das Summen blieb.
    »Du bist halt müde«, sagte Kilian.
    »Quatsch, ich bin hellwach.«
    »Zwei Minuten Pause?«
    »Na gut.« Sie ließ sich auf den Boden sinken, lehnte sich mit der Schulter an Kilians Bein, der stehen geblieben war. Was hatte Faller gesagt? Esther war fünf, höchstens zehn Minuten, nachdem sie sich die Pulsader aufgeschnitten hatte, versorgt worden. Also war ihr Retter entweder die ganze Zeit im Haus gewesen, oder er hatte sich zufällig zu diesem Zeitpunkt hineingeschlichen, oder ihm war das brennende Badlicht aufgefallen, und er hatte die richtigen Schlüsse gezogen.
    Keine dieser Möglichkeiten kam ihr besonders plausibel vor.
    Ein Gedanke von vorhin ging ihr durch den Kopf: in den entscheidenden Momenten in Esthers Nähe und doch immer unsichtbar. Anders als die Kripofahnder und der Verfassungsschutz, die ebenfalls unsichtbar geblieben waren, den entscheidenden Moment jedoch verpasst hatten.
    Fluchend legte sie das Gesicht in die Hände. Noch einmal von vorn. Der Unbekannte. Die Fahnder. Ein Netz aus Beobachtern. Fünf, höchstens zehn Minuten.
    Sie hob die Arme, ließ sich von Kilian hochziehen. »Ruf Marc an.«
    Er hielt das Telefon schon in der Hand. »Ich hab hier drin keinen Empfang.«
    »Ihr Haus ist verwanzt, die hören sie ab. Wahrscheinlich haben sie sogar Kameras installiert.«
    Kilian sah sie zweifelnd an. »Wer?«
    »Keine Ahnung. Er.«
    »Aber Wanzen? Und Kameras?«
    »Er muss es
gesehen
haben, Kilian. Deshalb ist er rechtzeitig gekommen.«
    Und er hatte s
ie
gesehen, zweimal bei Esther, ihre Telefonate mit Kilian und dem Berliner Bayern mitgehört. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Womöglich beobachtet und belauscht, ohne es zu bemerken … Dabei bildete sie sich so viel auf ihre Intuition ein.
    Sie verdrängte das Unbehagen und lief voran. Im Treppenhaus funktionierte Kilians Handy wieder. Eine Nachricht war eingegangen, Marc hatte auf die Mailbox gesprochen. Kilian legte die freie Hand an ihren Arm, während er zuhörte. »Er sagt, da sind Leute, die offenbar zum Haus wollen.«
    »Verflucht!«
    »Zwei Männer. Er fragt, was er tun soll.«
    »Ruf ihn endlich an!« Louise begann zu rennen, soweit ihr das in ihrem Zustand und auf einer Treppe möglich war. Sie zerrte das Handy aus der Hosentasche. Während sie wartete, dass die Verbindung aufgebaut wurde, hörte sie Kilian sagen: »Lauter, Marc!«, dann: »Scheiße, ich versteh dich nicht!«, dann: »Er hat aufgelegt.«
    »Versuch’s noch mal.«
    Der Kollege vom Führungs- und Lagezentrum meldete sich. Sie forderte weitere Streifenbesatzungen an und bat darum, bei der Landespolizeidirektion nachzufragen, ob das Mobile Einsatzkommando auf die Schnelle verfügbar war. Sie nannte das Ziel, beschrieb in kurzen Worten die Lage.
    »Besetzt«, sagte Kilian.
    »Und hol Rolf Bermann aus dem Bett«, sagte Louise.
    »Uff«, erwiderte der Kollege vom FLZ .
    Sie hatten das Erdgeschoss erreicht, rannten auf den Ausgang zu. Das Summen in ihren Ohren war stärker geworden und hatte sich um ein paar Töne nach oben bewegt. Es klang jetzt nicht mehr elektrisch, sondern metallisch und fühlte sich beinahe wie ein Gegenstand an, ein Quader aus Stahl, der quer durch ihr Gehör führte und schwer im Zentrum ihres Kopfes saß.
    Kilian sagte etwas, aber die Wörter passierten den Quader nicht.
    »Was?«, rief

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