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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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kriegt er das Gleiche zu hören wie Sie: keine Gespräche.« Damit öffnete Faller die Tür zur Intensivstation und verschwand.
     
    Kilian telefonierte erneut mit dem Führungs- und Lagezentrum, bat um vier Kollegen von der Schutzpolizei. Die Intensivstation hatte der Nachtschwester zufolge zwei Eingänge. Beide mussten bewacht werden. Eine Nonne im weißen Habit brachte Kilian durchs Treppenhaus zur anderen Schleuse.
    Louise bekam einen Stuhl, aber sie fand nicht die Ruhe,
um zu sitzen, ging stattdessen den leeren Flur entlang. Das Summen der Leuchtröhre verfolgte sie, blieb konstant laut, selbst als sie das andere Ende des Ganges erreicht hatte. Sie legte die Hände auf die Ohren, aber es half nicht, das Geräusch war immer noch da, das Geräusch und der Anblick, den Kilian beschrieben hatte: das rote Wasser in der Badewanne, die blutbespritzten Kacheln.
    Sie hatte das Ende des Ganges erreicht, drehte um. Aus dem Treppenhaus waren Schritte und Stimmen zu hören, die Streifenbesatzungen kamen.
    Zwei Kollegen blieben an der Schleuse, die beiden anderen folgten einer Nonne zurück zum Treppenhaus. Die Nachtschwester brachte weitere Stühle.
    Louise nahm ihre Wanderung wieder auf. Das Summen im Kopf war lauter geworden. Sie sah Esther in der Badewanne liegen, die Augen geschlossen, die Haare schwammen neben ihrem Gesicht. Die Pulsader aufgeschnitten, dachte sie verwirrt. Die Aggressivität, das Körperliche daran passten nicht. Esther würde – wenn überhaupt – doch Tabletten nehmen, kein solches Gemetzel an sich selbst anrichten.
    Sie kehrte zum Büro der Nachtschwester zurück. »Holen Sie Faller.«
    Die Schwester griff zum Telefon. Momente nachdem sie aufgelegt hatte, öffnete sich die Schleuse der Station, und Faller trat in den Gang. Kilian war bei ihm.
    »Sie müssen sie etwas fragen«, sagte Louise.
    »Und zwar?«
    »Ob sie es selbst getan hat.«
    »Gibt es da Zweifel?«
    »Es passt einfach nicht zu ihr. Sich die Pulsader aufzuschneiden, meine ich.«
    Faller widersprach. Wenn der Entschluss spontan, der
Leidensdruck groß genug und nichts anderes zur Hand war – Tabletten, ein Gasherd, ein Auto –, schnitten sich auch Lebensmüde die Pulsadern auf, zu denen das nicht zu passen schien. Dazu kam, dass Esther Graf sich nur an einem Handgelenk verletzt hatte, nicht an beiden. Der Schock, der Ekel, der Schmerz waren möglicherweise stärker gewesen als die Entschlusskraft. »Sie hofft, dass es reicht, legt sich zurück, schließt die Augen. Irgendwann verliert sie das Bewusstsein … Ich könnte Ihnen Dutzende solcher Fälle nennen.«
    »Trotzdem. Fragen Sie sie, ja?« Louise reichte ihm ihre Visitenkarte. »Und lassen Sie diese verdammte Leuchtröhre auswechseln, sie ist kaputt, hört das denn keiner?«
    Faller warf einen Blick zur Decke hinauf, tat dann schmunzelnd einen Schritt in Richtung Schleuse. »Sie sollten heimgehen und schlafen, Frau Bonì. Sie sehen sehr müde aus.«
    »Noch nicht. Können Sie uns einen Gebäudeplan besorgen?«
    Kilian hob eine Fotokopie.
    »Rufen Sie mich an«, sagte Louise.
    Faller nickte und verschwand in der Intensivstation.
    »Versuchter Mord?«, fragte Kilian leise.
    Sie wusste, was ihm durch den Kopf ging. Dann wäre nicht nur der Schutzengel unbemerkt in Esthers Haus gelangt, während Kilian draußen gestanden hatte, sondern auch ein potentieller Mörder.
    Sie tätschelte seine Schulter. »Nur ein Gedanke, reg dich nicht auf, okay?«
    Er breitete die Arme aus, ließ sie sinken – du hast gut reden, du bist nicht schuld.
    »Kilian, dafür hab ich jetzt echt keine Nerven. Zeig mir den Plan.«
    Er reichte ihr einen Grundriss, ein Gewirr aus Linien, Zahlen, Wörtern unter der Überschrift »Neubau«. Drei Stockwerke plus Keller, Dutzende Gänge, verschiedene Treppenhäuser, das erkannte sie noch. Zu mehr war ihr Gehirn nicht mehr fähig. »Wo sind wir?«
    »Hier.« Kilian deutete auf einen Gang im zweiten Stock.
    »Gut, fangen wir an. Achte auch auf den Boden. An seinen Sohlen könnte Blut sein.«
    »Bevor du auf Ideen kommst: Wir bleiben zusammen.«
    Sie zuckte die Achseln. »Hab sowieso keine Waffe dabei.«
    »Dein Anblick wird ihn zu Tode erschrecken.«
    Sie lächelte. Wenigstens einer von ihnen war noch in der Lage, Sprüche zu klopfen.
     
    Sie begannen mit der Kaffeeküche, arbeiteten sich langsam den Flur hinauf. Das elektrische Summen begleitete Louise und wurde immer quälender. »Hörst du das?«, fragte sie.
    »Ja.«
    Und zwei Türen weiter: »Jetzt auch

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