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Das verborgene Netz

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Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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In der Ferne waren Blaulichter zu erkennen, die sich rasch näherten. Sie zählte vier Autos. Acht Mann, dazu Bragers Leute, Kilian und sie. Rund fünfundzwanzig Einsatzkräfte auf zwei, drei Verdächtige. Unter normalen Umständen genügte das. Bei einer Geiselnahme sah es anders aus.
    »Wir brauchen ein Megaphon«, sagte sie zu Brager und zog das Handy aus der Hosentasche, um sich mit dem Kommandoführer des MEK in Verbindung zu setzen.
    »Louise … «, murmelte Kilian.
    Sie ließ das Handy sinken. Die Haustür war geöffnet worden. Zu sehen war niemand.
    Brager hatte das Funkgerät am Mund, sagte leise: »Bewegung am Haus, Tür geöffnet. Wir warten ab.«
    Louise starrte auf das schwarze Rechteck. Vor ihrem inneren Auge sah sie den schmalen Flur dahinter, die Garderobe mit dem Kleidungschaos, darunter das Durcheinander von Schuhen. Bewaffnete, die im Dunkel lauerten.
    Weitere Sekunden verstrichen, ohne dass etwas geschah.
    Dann rief eine Stimme: »Wir kommen raus! Nicht schießen!«
    »Marc«, sagte Kilian.
    Brager sprach ins Funkgerät. Am Rande ihres Blickfeldes nahm Louise Bewegungen wahr. Die Streifenbesatzungen postierten sich, notdürftig geschützt von einzelnen Bäumen, einem Zaun, einer Bodenerhebung. Hin und wieder blitzte im Mondlicht auf einer Schulter ein alufarbener Stern auf.
    Dann stolperte Marc ins Freie. Seine Hände lagen auf dem Rücken, der Mund war mit Klebeband verschlossen, die Fußgelenke mit einem Strick aneinandergebunden, der kaum dreißig Zentimeter Spiel ließ. Unmittelbar hinter ihm ging ein vermummter Mann. Eine Hand lag an Marcs Arm, mit der anderen drückte er ihm die Mündung einer Pistole an die Schläfe.
    »Kein Zugriff!«, sagte Louise.
    Brager gab den Befehl weiter.
    Ein paar Meter vor dem Haus blieben Marc und der Mann stehen. In der Türöffnung erschienen zwei weitere Personen, traten hinaus und verharrten. Auch sie trugen schwarze Gesichtsmasken mit Augenschlitzen und hielten Pistolen in den Händen. Beide hatten Rucksäcke auf dem Rücken.
    »Krasser Scheiß«, sagte Kilian. »Wer zum Teufel
sind
die?«
    Louise antwortete nicht. Sie fragte sich, ob es von Bedeutung war, dass die Waffen der beiden Männer auf niemanden gerichtet waren, sondern zu Boden zeigten. Als wollten sie die Bedrohlichkeit der Lage nicht unnötig verschärfen.
    Es war nun beinahe vollkommen still. Bis auf das Summen in ihrem Kopf, Bragers kurze Atemstöße, die Rufe eines Nachtvogels im Wald war kein Geräusch zu hören.
    »Wir müssen was unternehmen«, sagte Kilian.
    »Auf keinen Fall.«
    »Willst du warten, bis sie ihn erschießen?«
    »Die erschießen ihn nicht, Kilian.« Aus dem Augenwinkel sah sie, dass die Blaulichter der MEK -Autos das Zentrum von Littenweiler erreicht hatten. Jetzt hörte sie auch die Motoren. Zwei, drei Minuten noch, dann wären sie hier. Ein Dutzend für Lagen wie diese ausgebildete Kriminalbeamte, ein Kommandoführer, dem die Entscheidungen über das weitere Vorgehen oblagen. Keine Scharfschützen, trotzdem würden die Kollegen den Zugriff wagen, sobald sich eine Gelegenheit bot. Da hätten besonnene Worte einer Hauptkommissarin mit zweifelhaftem Ruf nicht viel Gewicht.
    »Du willst sie abhauen lassen?«, fragte Kilian.
    Bevor sie antworten konnte, war ein metallisches Klicken zu hören. Der Vermummte hinter Marc hatte den Hahn seiner Waffe gespannt.
    »Scheiße, ich sag’s dir doch!«, zischte Kilian.
    »Sei endlich still!«
    Mit angehaltenem Atem starrte sie auf die Pistole an Marcs Schläfe. Und wenn sie sich täuschte, wieder einmal? Verzerrte Bilder aus der Vergangenheit zuckten vor ihrem geistigen Auge, eine ähnliche Situation vor zweieinhalb Jahren, zahlreiche Einsatzkräfte, das MEK positioniert, auf einer Lichtung im Wald hielt ein Geiselnehmer einem Kollegen die Waffe an den Kopf – und schoss.
    »Die warten auf irgendwas«, sagte Brager.
    Endlich begriff Louise. »Machen wir Platz.« Sie entfernte sich ein paar Schritte von der Treppe. Brager und Kilian folgten zögernd. Als hätten sie tatsächlich auf dieses Signal gewartet, setzten sich die Männer in Bewegung und kamen langsam auf sie zu. Marc ging mit kleinen Schritten voran. Er hielt den Kopf gesenkt, wirkte eher beschämt als verängstigt.
    »Bist du okay?«, fragte Kilian laut.
    Marc nickte, ohne aufzuschauen.
    »Keine Gegenwehr, hörst du?«, sagte Louise.
    Wieder das Nicken.
    Sie sah auf die Waffe an seiner Schläfe. Bis vor zwei Jahren hatte die Kripo Freiburg dasselbe Modell benutzt – eine

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