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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Dezernatsleiter, ein Fels im wirren Wellengang, an manchen Stellen bewachsen von fauligem Moos vielleicht und an anderen ein bisschen glattgewaschen, aber
eben stabil. Da bröckelte nichts wie bei ihr, kehrte sich nicht das Unten nach oben. Das ganze Ding blieb verankert in festem Grund, und ihr kam der Gedanke, dass man sich an diesem Felsen doch mal festhalten oder draufsetzen könnte.
    »Um Himmels willen«, sagte Kleinert. »Entführt? Von wem?« Er war noch wächserner geworden und sah aus, als besäße er kaum noch genug Kraft, um aufrecht zu sitzen.
    Bermann blieb vage – drei Männer, zu deren Identität es keinerlei Hinweise gebe.
    Kleinert schüttelte den Kopf, seine Fassungslosigkeit war echt.
    »Sind Sie krank?«, fragte Louise.
    »Nein, nein, nur überarbeitet. Diese Männer … Wer könnte das sein? Ich meine, Terroristen oder … Einbrecher oder … «
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Bermann.
    »Um welche Mitarbeiterin handelt es sich?«
    »Verdammt«, sagte Louise.
    Kleinert zuckte zusammen.
    »Fragen, Fragen, Fragen. Wir brauchen
Antworten
, Kleinert. Sie wissen, um wen es geht.«
    »Ich könnte … die Abwesenheitsliste anfordern, falls sie … «
    »Nein«, unterbrach Louise. »Da steht sie nicht drauf. Sie sitzt in diesem tollen Solarraumschiff an einem Schreibtisch und bastelt am Ökoparadies der Zukunft wie jeden Tag.«
    Kleinert blinzelte hektisch, Bermann räusperte sich.
    Entnervt wandte Louise sich ab, blieb an den abstrakten Gemälden über der Couch hängen. Das Orange war zu grell, das Blau zu düster, die Striche ergaben unangenehm kantige Formen. Menschliche Körper, jetzt begriff sie. Links
eine Frau, rechts ein Mann, in Strichen erstarrt, ohne Seele. Sie widerstand dem Impuls, die Bilder abzuhängen und mit der Vorderseite an die Wand zu lehnen.
    Ein Handy klingelte. Sie hörte ein knappes »Ja?« von Bermann, kurz darauf ein »Okay«. Sie drehte sich um.
    »Die Eltern habe die Jungs gefunden. Sind bloß ein bisschen schmutzig und unterkühlt.«
    Sie nickte erleichtert.
    »Weshalb waren Ihre Kollegen bei unserer Mitarbeiterin?«, fragte Kleinert Bermann. »Darf ich wenigstens das erfahren?«
    »Nein«, erwiderte Louise.
    »Falls sie sich etwas hat zuschulden kommen lassen, müssen wir als Arbeitgeber … «
    »Hat sie nicht.«
    »Nein? Aber warum … »
    »Kleinert,
wir
fragen,
Sie
antworten, haben Sie das immer noch nicht verstanden? Also: Sie wissen, um wen es geht?«
    »Entschuldigen Sie, aber bei über dreihundertfünfzig Mitarbeitern … «
    »Macht er uns was vor, Rolf?«
    Bermann gab ein Brummen von sich.
    »Das heißt: Sie sind nicht besonders überzeugend.«
    »Aber weshalb sollte ich …?«
    »Wir s
tellen die Fragen, verflucht.« Louise rieb sich die Augen. »Warum ist der Verfassungsschutz involviert?«
    »Der Verfassungsschutz?«
    »Reden Sie endlich, Mann.«
    Kleinert sah Bermann an, als erhoffte er sich Hilfe vom Felsen im Wogenmeer. Der Felsen half nicht.
    »Warum ist der Verfassungsschutz involviert?«, wiederholte Louise.
    »Involviert in was?«
    »Ich fasse es nicht.« Sie lachte auf, von blanker Wut ergriffen, Wut auf Kleinert, auf das Summen in ihrem Kopf, vor allem aber auf sich selbst, weil sie zunehmend die Kontrolle über sich verlor. Bestimmte Eigenschaften schienen außer Kraft gesetzt, wie Geduld, Ruhe, die Überzeugung, letztlich ans Ziel zu kommen. Eigenschaften, auf die sie selbst während der Jägermeisterzeit manchmal hatte zurückgreifen können. »Wissen Sie, was passiert, wenn man sich die Pulsadern aufschneidet?«
    Kleinerts Augen weiteten sich.
    »Das Blut spritzt zwei Meter hoch, und die Kacheln sind versaut.«
    »Louise«, sagte Bermann ruhig. Auch sein Blick lag auf ihr, der Mund unter dem Schnauzbart war ein Strich. Unvermittelt fragte sie sich, weshalb er ihr an diesem Vormittag so weit gefolgt war, ohne einzugreifen. Vor ein, zwei Jahren hätte er nicht tatenlos zugesehen. Unverständnis und Ärger hätten überwogen. Jetzt hatte sie den Eindruck, dass er mitgerissen wurde, ohne etwas dagegen tun zu können – oder zu wollen.
    »Der Kerl macht mich wahnsinnig. Aber gut.« Sie nahm das Foto von Hans Peter Steinhoff aus der Handtasche und legte es auf den Schreibtisch. »Kennen Sie den?«
    Kleinert ließ sich Zeit. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Sicher?«
    »Vollkommen.«
    »Dieser Mann wollte Ihre Mitarbeiterin möglicherweise töten.«
    Kleinert starrte erneut auf das Foto. Am Ansatz seiner grauen Haare standen

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