Das verborgene Netz
Sécurité Extérieure, die DGSE .
Auch in Deutschland.
Doch die Amerikaner, die Briten, die Franzosen waren Freunde. Kein deutscher Politiker oder Funktionär würde öffentlich erklären, dass die heimische Wirtschaft von befreundeten Nationen ausspioniert wurde. Ganz zu schweigen von der Wirtschaft, die einen schweren Imageschaden fürchtete. Der Aktienkurs! Die Investoren! Die Banken! Die Angst ließ die Firmen schweigen.
Bei der Vorbereitung auf den Wertheim-Unterricht hatte Louise in einem Sicherheitsbericht gelesen, dass sich nur acht Prozent der geschädigten Unternehmen Baden-Württembergs an Behörden oder Berater wandten. Neunzig Prozent der betroffenen Firmen bemerkten nicht einmal,
dass sie ausspioniert wurden – also Tausende, denn angeblich wurde etwa ein Fünftel aller Unternehmen irgendwann einmal Opfer von Spionage.
»Wir brauchen Kollegen vom D 31 in der Soko«, sagte sie.
»Haben wir schon.«
»Wen?«
»Peter Schöne und den Pantoffelhelden.«
Der Tyrannosaurus und das Reh, dazu sie selbst, Scharmützel waren also vorprogrammiert. Bermann würde seinen Spaß haben.
Er trat vor die Türöffnung, stellte einen Fuß auf das Trittbrett, die Arme lagen auf Rahmen und Dach, die Augen waren geweitet. Jeder Zoll an ihm strömte jetzt Energie und Kraft aus. Für einen Moment fand sie ihn beinahe unheimlich. Sein Körper sorgte für Schatten, aber er versperrte den Ausgang.
Sie gähnte erneut.
»Du musst mal zum Zahnarzt.«
»Ach?«
»Unten links hast du ein Loch.«
Sie suchte das Loch mit der Zunge. Hatte sich in Wertheim aufgetan. Sie lachte. Die Langeweile hatte sich sogar in ihre Zähne gefressen.
»Soll ich dich heimfahren?«
»Nein, danke. Geht schon.«
Bermann fragte, ob sie nach Littenweiler mitkomme. Lubowitz sei fertig und habe das Haus zur Durchsuchung freigegeben. Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte noch einmal zu GoSolar.
»Wie bitte?« Bermann hatte sich vorgebeugt, sein Kopf schwebte dicht vor ihrem.
»Reg dich nicht auf. Nur ein Gespräch unter Frauen.«
»Unter Frauen?«
»Eine Kollegin von Esther Graf.«
»Vergiss nicht, dass wir keinen Durchsuchungsbeschluss haben. Und lass Kleinert in Ruhe, klar?«
»Klar, Chef.«
Bermann ließ sie aussteigen. »Eines noch.« Er würde gegen fünfzehn Uhr ins Krankenhaus fahren. Sie mussten mit Graf sprechen, Faller hin, Faller her.
Louise überlegte kurz, ob sie sich das Schauspiel ansehen sollte – zwei Alphatiere im Kampf. Faller würde gewinnen, also konnte sie sich den Weg sparen. Sie würde später versuchen, mit Esther zu sprechen, nach zwanzig Uhr, dann endete Fallers Dienst.
Aber das musste Rolf Bermann nicht wissen.
Anschließend würde sie sich bereithalten, falls der Schutzengel ihr Gesprächsangebot annehmen würde.
Auch das musste Bermann nicht wissen.
11
EINE INFOTAFEL IM FOYER wies Besuchern den Weg. Sie hatte Glück: Gebäude 1 , in dem sie sich befand, beherbergte neben der Geschäftsführung auch die Abteilung Research & Development, wo Esther und, wie sie hoffte, auch Annette Mayerhöfer beschäftigt waren, mit der Faller am Morgen telefoniert hatte.
Die Räume der Abteilungsleitung lagen im zweiten Stock. Sie stieg eine Treppe aus hellem Holz hinauf, die quer durch das Foyer nach oben führte. Schmale Schatten- und Lichtbalken wechselten einander auf den Stufen ab, legten ein verwirrendes Muster auf das Holz. Ihr war ein wenig schwindlig, und nach wie vor schmerzte das Sonnenlicht, das ins Gebäude fiel, in Augen und Kopf.
Draußen, auf dem Parkplatz, konnte sie Bermann sehen. Er lehnte an seinem Auto und telefonierte.
Die Treppe mündete in einen parallel dazu verlaufenden Gang, hinter dem ein Großraumbüro lag. Weiße Büromöbel trennten Gruppen von vier Schreibtischen voneinander ab. Etwa zwanzig Angestellte saßen vor Bildschirmen, alle unter dreißig, alle männlich, keiner nahm Notiz von ihr. Sie schlenderte zu einem Trakt mit Einzelbüros, Sitznischen mit blauen und grünen Polstersesseln, Kaffeetheken. Im Vorbeigehen las sie die Schilder neben den Türen, stieß weder auf Esthers noch auf Mayerhöfers Namen.
In dem Trakt auf der anderen Seite des Großraumbüros
wurde sie fündig: HEAD OF DEPARTMENT stand in himmelblauen Buchstaben an der Wand. Gleich das erste Büro war das von
Annette Mayerhöfer / Esther Graf
.
Sie klopfte. Niemand antwortete.
Warten oder gehen?
Warten.
Sie setzte sich auf einen Sessel gegenüber der Tür, der in einer kleinen Nische mit Wasserspender stand. Auf
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