Das verborgene Netz
Schweißtröpfchen.
»Töten?«
»Kennen Sie ihn jetzt?«
»Nein.«
»Lügt er, Rolf?«
Bermann hob die Brauen. »Nein.«
»Sehe ich auch so. Mist.« Sie steckte das Foto in die Tasche zurück. Kleinert wirkte erleichtert, aber sie spürte, dass er Angst hatte. Als Solarexperte mochte er brillant und souverän sein, doch er vermittelte den Eindruck, als wäre er in eine unbekannte Welt gestoßen worden, in der er sich nicht zurechtfand.
»Erzählen Sie – was passiert bei GoSolar?«
Kleinert rutschte im Stuhl nach hinten. Sein Blick flog zu dem Telefon, das auf dem Schreibtisch neben dem Monitor stand, und Louise begriff, dass er auf einen Anruf wartete – den Anruf, der ihn retten würde.
11 . 41
zeigte das Display. Eine Minute zu spät, vier Minuten zu früh? Sie dachte an Eberhardt Rohwe, an »We will Rock You«. Damit hatte das Übel begonnen.
Sie nahm das Mobilteil aus der Station, entfernte die Batterien, legte es auf den Schreibtisch. »Was ist an den Gerüchten dran? Insiderhandel, finanzielle Schwierigkeiten, Probleme mit der Qualität.«
Kleinert fuhr sich mit einer Hand über die Stirn und sah Bermann an. Wieder half der Felsen nicht.
Er griff nach dem Telefon, schob die Batterien hinein und sagte dabei, es gebe ernsthafte Probleme, GoSolar sei in großen finanziellen Schwierigkeiten. Die Banken hätten wegen der Gerüchte um Insiderhandel Kredite gesperrt, Großkunden seien abgesprungen, und Aufträge von Land und Bund würden möglicherweise storniert werden. Bereits im vergangenen Juli habe die Firma eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt. Der Abschlussbericht belege, dass sämtliche Aktienkäufe und -verkäufe
von Unternehmensmitarbeitern korrekt abgelaufen seien. Der Bericht sei längst veröffentlicht, doch habe er die öffentliche Meinung bislang nicht beeinflusst und die Banken nicht zu einer Kursänderung bewegen können. Dies habe zur Folge, dass sich ein für die Firma sehr wichtiges Projekt verzögere, bei dem es, kurz gesagt, um Solarzellen für Autos gehe. Wenn sich die Situation in den nächsten beiden Quartalen nicht ändere, stehe GoSolar vor der Insolvenz.
»Unser CFO drängt darauf, dass wir eine Kaffeekasse einführen.« Er lächelte verlegen. »Das sagt eigentlich alles.«
»Was ist ein CFO ?«, fragte Louise.
»Ein Chief Financial Officer.«
Kleinerts Augen lagen auf dem Display.
11 . 43 .
Er schöpfte Atem.
»Woher stammen die Gerüchte?«, fragte Bermann. Er stand jetzt breitbeinig da, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Augen waren klein und konzentriert, der Jagdhund hatte das Wild gewittert.
Kleinert zögerte. »Das wissen wir leider nicht.«
»Haben Sie einen Verdacht?«
»Nichts Konkretes, nein.«
»Was Unkonkretes?«, fragte Louise.
Verstört kniff Kleinert die Augen zusammen, und für einen Moment tat er ihr beinahe leid. Da hatte man sich als Ingenieur niedlichen, kleinen Siliziumkristallen verschrieben und musste sich urplötzlich mit geschäftsschädigenden Meldungen und Kriminalbeamten à la Bonì herumschlagen.
»Soweit wir es zurückverfolgen konnten, sind die ersten Gerüchte in einer französischen Zeitung aufgetaucht.«
»Was schließen Sie daraus?«, fragte Bermann. »Steckt die französische Konkurrenz dahinter?«
Kleinert zuckte die Achseln. Französische Solarfirmen seien, erwiderte er, bislang nicht als ernstzunehmende Wettbewerber aufgetreten. Der französische Markt sei nicht annähernd so groß wie der deutsche, auch falle die staatliche Förderung der erneuerbaren Energien wegen der offiziellen Präferenz der Atomkraft bislang gering aus. Ähnlich große und innovative Firmen wie in Deutschland gebe es nicht. Allerdings sei zu hören, dass die Regierung Villepin eine Einspeisevergütung plane, die im nächsten Jahr in Kraft trete, was der einheimischen Industrie sicherlich einen Schub verleihen werde. Und doch … »Sehen Sie, in Frankreich kommen auf einen Einwohner im Durchschnitt etwa 0 , 44 Watt Photovoltaikleistung, in Deutschland sind es über vierzig Watt. Die Märkte sind … «
Das Telefon klingelte.
» … in keiner Weise vergleichbar. Entschuldigung.«
Louise wandte sich ab, war bereits an der Tür, als Kleinert zu erklären begann – eine weitere Sitzung, jetzt gleich, wie gesagt, es gebe ernsthafte Probleme. Eine Floskel des Bedauerns, da trat sie in den Gang hinaus. Die Floskel wurde wiederholt, dann hatte ihr Nervensystem ein Einsehen und ließ Kleinerts Stimme in dem Summen zwischen
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