Das verborgene Netz
Kripo nur noch als Juniorpartner im Spiel. Gemeinsam werde man erledigen, was zu erledigen sei.
Anschließend, sagte Schöne, würden Köpfe rollen.
Zu acht eilten sie die Treppen hinunter, jeweils zu viert stiegen sie in einen Dienstwagen. Louise setzte sich auf den Beifahrersitz, räkelte sich ins Polster hinein, lehnte den Kopf an die Stütze. Kilian hatte ihr die Namen der Fahnder ihres Teams genannt, sie hatte nicht einen behalten, obwohl sie den Kollegen die Hand geschüttelt, in die Augen gesehen, ein paar auflockernde Witzchen gerissen hatte. Im Treppenhaus hatte sie sie nach ihren Eigenschaften benannt: »der Ernste«, »der Sachse«, der »Schniefer« – alle zwei Minuten wurde in die Stirnhöhle gezogen, was sich in den Nasengängen befand.
Der Ernste fuhr, der Sachse und der Schniefer saßen im Fond.
Sie waren nach Freiburg-St. Georgen unterwegs, zu »Person 4 « von Ernestos kleiner Liste, Ulrich Meier, der sich möglicherweise im Juni 2004 auf der Intersolar mit Hans Peter Steinhoff getroffen hatte.
Nicht nur die Namen, auch die Zahlen der vergangenen Stunden bereiteten ihr mittlerweile Schwierigkeiten.
Sie ging sie zum wiederholten Male durch.
Sechzehn
im Jahr 2005 von GoSolar eingestellte Personen standen auf Mayerhöfers Liste, minus Philipp Schulz, blieben
fünfzehn
.
Fünf
davon hatte Ernesto als auffällig eingestuft, bei
zwei
von diesen fünf – Person 1 und Person 4 – hatten ihn seltsame Zufälle irritiert.
Ganz einfach, dachte sie. Sechzehn, fünfzehn, fünf, zwei.
Gebäude rauschten vorbei, Ampellichter leuchteten auf und erloschen, am Himmel stand ein blasser Mond. Der Ernste fuhr aggressiv, bremste abrupt. Der Schniefer gähnte, der Sachse erzählte von einem Urlaub in Griechenland. Ein leichter Geruch von Alkohol lag in der Luft. Ein Bier pro Mann, der Dunst von drei Bier im Wageninnenraum.
Dann begann die Zeit wieder mit ihren merkwürdigen Sprüngen. Gerade war noch das Wort »Delphi« gefallen, da hielt der Ernste schon vor einem vierstöckigen Wohnhaus. Kaum waren sie ausgestiegen, standen sie vor der Eingangstür. Louise entzifferte noch den Namen »Ulrich Meier« auf dem Klingelbrett, da berichtete der Wohnungsnachbar im dritten Stock, dass er Meier am frühen Abend zweimal im Treppenhaus gehört habe. Ihr Handy klingelte, dann war das Gespräch schon wieder beendet – auch Person 1 , hatte Kilian gesagt, war nicht daheim.
»Was?«, fragte sie.
»Und jetzt?«, wiederholte der Ernste und hielt ihr die Haustür auf. Sie traten ins Freie.
»Wer hat Lust auf eine Nachtschicht?«
Dann saß sie mit dem Ernsten in einem Streifenwagen und hatte mit dem Polizeiführer vom Dienst telefoniert und eine nächtliche Überwachung der Wohnungen der restlichen vierzehn neuen GoSolar-Mitarbeiter veranlasst.
Stand allein im Hof der Polizeidirektion und erwog, die Personen 2 , 3 und 5 aufzusuchen. Hielt an einer roten Ampel in der Wiehre und wünschte, sie besäße ein Fahrrad, frische Luft tat ja manchmal gut, besonders in wirren Momenten wie diesen. Schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf und fragte sich, wann sie den Gedanken, zu 2 , 3 und 5 zu fahren, verworfen hatte.
Lag im Bett und programmierte den Wecker auf halb elf und dankte allen Göttern dieses Universums, dass sie der Versuchung zu trinken nicht nachgeben hatte.
Lauschte Bens Stimme auf dem lautgestellten Anrufbeantworter im Wohnzimmer und schlief irgendwo zwischen
Ich liebe dich
und
Vielleicht am Sonntag?
ein.
16
UM DREIUNDZWANZIG UHR fünf betrat Louise das Krankenhaus. Sie hatte geduscht, im Nieselregen unter einer Markise Pizzaschnitten gegessen, dazu einen doppelten Espresso getrunken. Für zwei, drei wache Stunden, dachte sie, würde die kurze Regeneration schon reichen.
Am Nachtschalter genügte ihr Kripoausweis, Fragen wurden nicht gestellt. Der Flur vor der Intensivstation lag verwaist bis auf zwei uniformierte Kollegen vom Revier Freiburg-Nord und eine Nachtschwester, die in dem kleinen Raum hinter der Glasscheibe mit Unterlagen beschäftigt war. Louise warf einen Blick auf die Deckenleuchte. Kein Summen mehr, nur noch der Ton in ihrem Kopf.
»Vorhin repariert«, sagte einer der Schutzpolizisten. »War ja nicht auszuhalten.«
Der andere hielt eine Liste mit den Namen des Krankenhauspersonals in der Hand. Zwei Verwandte von Patienten hatten die Intensivstation betreten, nachdem sie überprüft worden waren, ansonsten nur Ärzte, Pfleger und »Horden von Nonnen«. Niemand, der auffällig gewesen wäre.
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