Das verborgene Netz
Sprechen Sie weiter.«
Esther hatte sich überreden lassen, war in Panik zu dem Restaurant gefahren, das Schulz vorgeschlagen hatte – ein Italiener an der U 7 , wie sie, Louise, vermutet habe. Schulz tat geheimnisvoll. Sein Verhalten machte ihr immer mehr Angst, er benahm sich, als glaubte er, dass sie beobachtet
würden, in Gefahr wären. Als sie ihn darauf ansprach, wiegelte er ab.
Schließlich bot er einen Deal an: Sie solle mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten, Namen nennen, dann garantiere er Straffreiheit.
»Mit dem Verfassungsschutz? Was genau hat er gesagt?«
»Dass er beim Verfassungsschutz ist und dass ich … «
»Hat er Ihnen einen Ausweis gezeigt?«
»Ja.«
»Haben Sie schon mal einen Ausweis vom Verfassungsschutz gesehen?«
»Nein.«
»Er kann also gefälscht gewesen sein?«
Esthers Augen lagen starr auf Louise, in ihrem kleinen Gesicht spiegelte sich Verwirrung wider. »Ja.«
Philipp Schulz ermordet, schon das passte überhaupt nicht in das Bild, dass Louise sich gemacht hatte, noch weniger, dass er für den Verfassungsschutz gearbeitet haben könnte … Andererseits gab es keinen Beleg dafür, dass er zu dem Spionagenetz gehört hatte, trotz der Umstände, unter denen er zu GoSolar gekommen war – die Pornos auf Heinrich Willerts Rechner.
War es denkbar, dass ihn der Verfassungsschutz als Willerts Nachfolger platziert hatte? Die belastenden Filme auf dessen Rechner kopiert und mit falschen Download-Daten versehen hatte, um das zu ermöglichen?
Esther griff mit der unverletzten Hand nach der Wasserflasche, konnte sie vor Aufregung oder Erschöpfung kaum halten. Louise nahm sie ihr ab, füllte das Glas, wartete, bis sie getrunken hatte.
»Wie haben Sie reagiert?«
»Ich … ich bin weggelaufen. Ich weiß, das war blöd, aber
Philipp hat sich so merkwürdig verhalten, und ich wusste nicht, wie ich ihm alles erklären soll, ich dachte, er glaubt mir sowieso nicht, und dann war mir schlecht, und ich hatte Angst, dass ich mich erbrechen muss … «
Aus dem offenen Bereich der Station drangen leise Schrittgeräusche herüber, die sich rasch näherten. Jenseits des transparenten Vorhangs glitt ein kleiner, unförmiger Schemen vorbei. Als die Geräusche verklungen waren, fragte Louise: »Hat Schulz Sie in Berlin noch einmal kontaktiert?«
»Nein.«
»Haben Sie ihn seitdem wiedergesehen?«
»Im Büro, am Montag und am Dienstag.«
»Hat er noch etwas gesagt?«
Esther schüttelte den Kopf. »Nur komisch geschaut.« Sie schluckte hart, als müsste sie gegen die Tränen ankämpfen.
Louise widerstand der Versuchung, sich auf das Bett zu setzen, Esther zu trösten. Schon in Littenweiler hatte sie das Bedürfnis verspürt, sie in Decken zu hüllen, auf die Arme zu nehmen und irgendwohin zu tragen, wo sie vor der Welt geschützt war. Sich um sie zu kümmern, wie man sich um ein verzweifeltes Kind kümmerte. Sie fragte sich, ob es dem Mann, der Esther gerettet hatte, ähnlich ging, ob er ihre Bedürftigkeit über die Wanzen und Kameras gespürt hatte. Eine hübsche Frau, der man die tiefe Sehnsucht nach Zuneigung und Geborgenheit anmerkte.
»Was genau wusste … weiß Schulz?«
»Er hat gesagt, er weiß, dass ich s
pioniere
.« Esther wischte sich die Tränen aus den Augen. »Dass ich Unterlagen kopiere und ein
auffälliges Interesse
an technischen Details zeige.«
»Ist er konkreter geworden?«
Esther schüttelte den Kopf.
»Hat er denn recht?«
»Nein! Ich s
pioniere
nicht! Das alles ist ein furchtbarer Irrtum!«
»Wollen Sie mir jetzt davon erzählen? Von dem Irrtum?«
Esther war im vergangenen April von einem Kollegen angesprochen worden. Auch dessen Namen kannte Louise, sie hatte wenige Stunden zuvor an seiner Wohnung geklingelt – Person 4 / Ulrich Meier / Freiburg-St. Georgen.
Die Firma, hatte Meier gesagt, plane, ein modernes Security Department für die IT - und Konzernsicherheit aufzubauen. Eine eigene große Abteilung mit Software-, Technik- und Sicherheitsexperten. Erst einmal wolle man sich jedoch einen Überblick darüber verschaffen, wo im Unternehmen welche Risiken bestünden. Auf Basis einer entsprechenden Analyse lasse man dann von einem externen Sicherheitsunternehmen eine Strategie entwickeln. Für diese Risikoerhebung sei eine Task Force gebildet worden, der er, Meier, angehöre. Das Team habe die Aufgabe, bis Ende des Jahres relevante Daten zu sammeln.
In jeder Abteilung werde zu diesem Zweck eine Person gebeten mitzuarbeiten. GoSolar solle zu einem
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