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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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nicht.
    »Krasser Scheiß«, sagte Kilian aus dem Bad.
    Sie zwang sich hoch, steckte die Waffe ins Holster, streifte Einweghandschuhe über.
    Das Bad war kaum mehr als eine Nasszelle. Kilian hatte das Plastikschränkchen über dem Waschbecken geöffnet. Auf drei Ablagen standen zahlreiche Schminkutensilien, Mittel zum Färben und Entfärben der Haare, ein Behälter mit falschen Schnurrbärten und dergleichen mehr.
    Erneut bestätigte sich Eberhardt Ebbe Rohwes früher Verdacht: Profis durch und durch.
    Der Rothaarige trat in die Diele. » Wir warten unten.«
    Sie nickte. »Danke für eure Hilfe.« Sie wartete, bis die Kollegen gegangen waren, sah dann von der Tür aus in das Zimmer. Ein einfaches Bett, ein Garderobenständer auf Rollen, an dem Hemden und Anzüge hingen, ein geöffneter Koffer mit vier Paar Schuhen, eine Reisetasche, ein kleiner Fernseher mit Zimmerantenne. Welche Ironie, dachte sie. Heinrich Willert, der Vorgänger, und Philipp Schulz, der Nachfolger, auf ähnliche Weise heimatlos.
    »Wir brauchen den Erkennungsdienst«, sagte sie zu Kilian. »Und ruf Bermann an, er soll die Soko aufstocken.«
    »Er soll?«
    »Er möchte bitte.«
    Kilian verschwand in der Küche. Sie machte ein paar Schritte in das halbleere Zimmer hinein. Falls Schulz hier verräterische Unterlagen aufbewahrt hatte, waren sie mittlerweile fort. Der Erkennungsdienst würde seine Fingerabdrücke finden, aber nicht viel mehr. Wer auch immer am Nachmittag in dieser Wohnung gewesen war, er hatte viel Zeit zum Aufräumen gehabt. Hier und an anderen Orten. Spätestens jetzt, nach Schulz’ Tod, würde er damit beginnen, das Netz aufzuknüpfen.
    Spätestens jetzt lief ihnen die Zeit davon.
    »Der ED kommt, Bermann erreiche ich nicht«, sagte Kilian hinter ihr.
    Sie wandte sich um. »Was heißt, du erreichst ihn nicht?«
    »Er geht nicht dran.«
    Sie zog ihr Handy heraus, wählte, vergeblich.
    Während sie ins Erdgeschoss hinuntergingen, besorgte sie sich über das Führungs- und Lagezentrum die Nummer von Peter Schöne.
    »Keine Zeit, Bonì«, sagte Schöne freudlos.
    »Wo seid ihr?«
    »Noch in Ebnet.«
    »Bei der Zeugin?«
    »Nein, im Wald bei dem Toten.«
    Sie traten auf die Herrenstraße hinaus. Ein paar Schaulustige mehr, der Ring aus Neugierigen hatte sich um die Autos geschlossen. Dazwischen standen die Streifenbesatzungen.
Ronescu und der Rothaarige lehnten an einem Einsatzwagen und rauchten. Ihr Blick glitt über die Menge, Michael Bredik war nicht zu sehen.
    An ihrem Ohr knurrte Schöne.
    »Ist Rolf bei dir?«, fragte sie.
    »Der hat Kopfweh.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Nein.«
    » Wo ist er?«
    »Beim Arzt. Und wo bist du? Aber will ich das wissen? Nein. Sag’s mir trotzdem. Bist ja in meiner Soko, auch wenn man dich nie zu Gesicht bekommt.« Schöne lachte.
    »Ich war gerade in der Wohnung des Toten.«
    »Du weißt, wer er ist?«
    Sie stöhnte lautlos. Streifenbesatzungen angefordert, mit der Staatsanwältin gesprochen, die Soko zu informieren vergessen.
    Sie erklärte die Situation, fügte hinzu, dass sie so schnell wie möglich mit den anderen fünfzehn Personen auf Annette Mayerhöfers Liste sprechen mussten. Falls Komplizen von Schulz darunter waren, würden sie möglicherweise bald abtauchen. Wenn sie nicht bereits verschwunden waren.
    Peter Schöne schwieg. Sie war froh, dass seine starren kleinen Augen nicht auf ihr lagen.
    »Um sieben in der Direktion?«, fragte sie.
    »Um sieben stehe ich erst auf.«
    »Heute Abend, Peter. Wir müssen jetzt dranbleiben.«
    »Wirst du wieder hysterisch?«
    »Ja.« Verärgert beendete sie die Verbindung, wandte sich dem Rothaarigen zu. Die Wohnung musste versiegelt werden, ein Streifenwagen vor dem Haus bleiben. Er versprach, sich darum zu kümmern.
    Sie zog Ronescu zur Seite. »Ich muss los.«
    »Dann wünsche ich Ihnen alles Gute, Frau Louise.«
    »Hat mein Kollege Ihre Daten?«
    Ronesco nickte.
    »Ich rufe Sie an. Vielleicht finden wir mal Zeit für ein Gläschen.«
    Er hob die Augenbrauen, in der Stirn entstanden tiefe Krater. »Sie enttäuschen mich, Frau Louise.«
    »Nur Wasser, Herr Ronescu – bis in alle Ewigkeit.«
     
    Eine Viertelstunde später saß sie mit Kilian in ihrem Büro und ließ sich widerwillig davon überzeugen, dass ein Großeinsatz an diesem Abend logistisch unmöglich war. Die Vernehmung von fünfzehn Personen möglichst zum selben Zeitpunkt erforderte umfassende Vorbereitungen. Weil sie vermutete, dass mindestens eine weitere Person auf Annette

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