Das verborgene Netz
Ausrufezeichen. Nur weil sie gefragt habe, nicht seine Branche, vier Ausrufezeichen.
Sie schrieb
Seltsame Zufälle,
vier Fragezeichen.
Wieder musste sie nicht lange warten.
»Person 1 « von diesen fünf, ein Physiker, war angeblich von 2000 bis Ende 2004 bei der Zentrale der
American Solar Energy Society
in Boulder, Colorado, beschäftigt gewesen. Ein Foto auf der Website von GoSolar zeigte den Mann, der dort seit Mai 2005 in der Forschungsabteilung angestellt war. Vor drei Wochen war eine Person gleichen Namens vom Berliner Zoll wegen Verstoßes gegen die Einfuhrbestimmungen und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte festgenommen worden – der Betreffende hatte zwei neue, in den USA gekaufte Laptops und ein originalverpacktes Handy nicht deklariert und einen Beamten tätlich angegriffen. Das Foto des Zolls zeigte definitiv einen anderen Mann als den GoSolar-Angestellten. Zwei Deutsche mit demselben Namen bei der ASES in Boulder?
Beide Fotos siehe Dossier
, drei Ausrufezeichen.
»Würde mich interessieren, wie er an diese Infos gekommen ist«, sagte Kilian.
»Mich nicht«, erwiderte Louise.
»Person 4 « der fünf auffälligen neuen Mitarbeiter war
Ende Juni 2004 auf der Branchenmesse Intersolar in Freiburg akkreditiert gewesen – genau wie Hans Peter Steinhoff, ebenfalls als Journalist. Die beiden hatten im selben Hotel gewohnt, einer kleinen Pension in Kirchzarten.
Zufall,
vier Fragezeichen.
»Könnte doch sein«, sagte Kilian.
»Trotzdem, wir besuchen die beiden.« Louise zog bereits ihre Jacke an. Im Stehen tippte sie eine Mail an Ernesto:
Danke!!!!!
»Wie viele von den Kollegen brauchst du?«
»Alle sechs. Wir bilden zwei Teams, du führst das eine, ich das andere.«
Kilian stand auf. »Cool. Hab noch nie ein Team geführt.«
»Ist ganz einfach. Du gibst Anweisungen, die anderen befolgen sie.«
Die sechs Ermittler warteten in Kilians Büro. Louise überließ ihm die Aufteilung. Nachdem sie die Kollegen eingewiesen hatte, rief sie vom Nachbarbüro aus Peter Schöne an, der mittlerweile auf dem Rückweg in die Polizeidirektion war. Er wirkte unruhig, aber er verhielt sich freundlich. Mangelnde Erfahrung mit Außeneinsätzen und ein Leichenfund machten selbst einen Wolf zahm.
Vielleicht imponierte ihm ja auch ihr Tempo.
Die Befragung der Zeugin, die Durchsuchung der Kleidung des Toten, die Fahndung hatten bislang nichts ergeben, berichtete er. Lubowitz war eine halbe Stunde zuvor mit der Spurensicherung fertig geworden und auf dem Weg zur Wohnung des Toten. Noch eine Stunde, hatte er geknurrt, dann ist Feierabend.
»Das gilt auch für uns, Bonì. Wir sind erledigt. Morgen
früh um acht geht’s weiter. Wenn sich was tut, übernimmt das FLZ .«
Sie erzählte von Ernestos Funden. Von Person 1 und 4 , die sie noch aufsuchen würden.
»Schläfst du nie?«
»Nur wenn Zeit ist.«
Schöne seufzte. »Grüße von Rolf.«
»Wo ist der eigentlich?«
»Noch beim Arzt. Die machen irgendwelche Untersuchungen.«
»Was für Untersuchungen?«
»Keine Ahnung.« Sie hörte ihn gähnen. »Morgen um acht, Bonì. Wär mir recht, wenn du dann auch da wärst.« Er räusperte sich. »Muss heute noch was erledigt werden?«
Sie bat ihn, die Vernehmung der übrigen dreizehn Personen vorzubereiten und die nötigen Formulare auszufüllen – Großeinsatz auf dem Gelände von GoSolar.
»Nicht gerade die subtilste Methode.«
Nein, dachte sie. Aber sie hatten keine Zeit mehr für subtile Methoden. »Hast du was von Graeve gehört?«
»Ja. Er hat gesagt, er erreicht dich nicht. Keiner erreicht dich. Dein Handy-Akku ist leer.«
Sie musste schmunzeln. Wenn sie auf eines achtete, dann darauf, dass das Telefon Strom hatte. »Was würde er mir sagen, wenn der Akku nicht leer wäre?«
»Dass Feierabend ist.«
Also hatte Graeve offenbar kapitulieren müssen, der Druck von oben war zu groß geworden. Immerhin, er hatte ihr noch ein paar Stunden verschafft.
»Aus Stuttgart ist ein Konvoi unterwegs«, erklärte Schöne.
»Gepanzerte Wagen?«
»Sehr gepanzert, sehr schwarz, sehr teuer.«
»Riecht nach Ärger.«
» Wie eine ganze Jauchegrube.« Der Verfassungsschutz sei angesichts des Verhaltens der Freiburger empört, das Innenministerium eingeschaltet, alle halbe Stunde gehe ein Anruf aus Stuttgart ein. Es hagele Vorwürfe – Ermittlungen verpfuscht, Menschenleben in Gefahr. Das Regierungspräsidium Freiburg bemühe sich, die Wogen zu glätten. Seit dem Nachmittag sei der Verfassungsschutz federführend, die
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