Das verborgene Netz
sind Sie?«
»Wir helfen.«
»Indem Sie Menschen ausspionieren und Firmen zerstören?«
» Wenn der Auftraggeber es verlangt.«
Sie wusste, welche Branche er meinte. Wirtschaftsdetekteien, die im rechtlichen Graubereich agierten und gelegentlich die Grenzen der Legalität überschritten. Die Branche boomte, und es gab genug Experten, die die nötige Ausbildung besaßen. Exgeheimdienstler, Expolizisten, Exsoldaten, dazu Hacker, Technikspezialisten und so weiter.
Doch Mord an einem Verfassungsschutzbeamten?
»Ich will Steinhoff«, sagte sie.
»Das ist der Deal. Sie kriegen Steinhoff, und ich tauche unter.«
Im selben Moment wurde die Tür zum Schwesternzimmer aufgerissen. Louise kippte nach hinten, landete zwischen den Beinen eines Mannes, sah einen ausgestreckten Arm, eine Pistole, die auf Mike gerichtet war. Auf der Holztreppe erklangen Schritte, Stimmen riefen: »Nicht bewegen!« Sie hob den Kopf. Mike hatte die Hände von sich gestreckt, war wie erstarrt. Auf halber Höhe der Treppe stand Antje Harth, auch sie zielte mit einer Waffe auf ihn.
Harth und Bredik, der Verfassungsschutz war aktiv geworden.
Niemand sagte etwas.
Dann ein sprödes Klacken, das laut in die Stille fuhr, die Treppenhausbeleuchtung war ausgegangen.
»Nicht schießen!«, rief Louise. Sie rappelte sich hoch, prallte gegen ein Bein, tastete nach dem Schalter an der Wand neben der Tür.
Das Licht sprang an.
»Verflucht«, sagte Antje Harth.
Mike hatte nach den zwei Pistolen auf der Treppenstufe gegriffen, eine zeigte auf Harth, die andere auf Michael Bredik.
»Ruhig bleiben, Leute«, sagte Louise.
»Nehmen Sie die Waffen runter«, befahl Bredik.
Mike hob die Augenbrauen. »Wie kommen die hierher?«
»Keine Ahnung«, sagte Louise.
»Waffen runter!«, wiederholte Bredik.
Mike reagierte nicht.
»Beruhigen wir uns, okay?«, sagte Louise. In ihrem Kopf hatte ein wirrer Mechanismus eingesetzt, der die Sekunden zählte, bis die Beleuchtung erneut ausgehen würde. Zwei Minuten? Drei? Sie verfluchte sich dafür, dass sie die Dauer der Lichtphasen nicht geschätzt hatte. Sie musste damit rechnen, dass Mike die nächste Dunkelheit nutzen würde. Er hatte genug Möglichkeiten – auf den unteren Treppenabsatz springen, Harth, Bredik oder sie selbst als Geisel nehmen. Sie zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde.
Die Frage war nur, ob Harth oder Bredik schießen würden.
Ihr blieben zwei, drei Minuten, um Mike davon zu überzeugen,
dass ihre Abmachung noch galt. Aber ihr fiel nichts ein. Das Summen und der Zählmechanismus füllten ihr Bewusstsein aus, klare Gedanken zu fassen, war unmöglich geworden.
Sie wandte sich Antje Harth zu. »Wir brauchen ihn, er liefert uns Steinhoff.«
Harths Gesicht, das Louise am Morgen in Graeves Büro spröde vorgekommen war, erschien ihr nun wie eine vor Anspannung verkrampfte Fratze. Schweiß rann ihr in Strömen über Stirn und Wangen, lief ihr in die Augen, und sie blinzelte hektisch. »Hast du ihn festgenommen?«
»Nein.«
»Ist das der Mann, der Steinhoff töten wollte?«
Louise seufzte. »Der Steinhoff verprügelt hat, ja.«
»Sie sind festgenommen«, sagte Harth zu Mike. »Sie werden der versuchten Tötung und des Mordes an … «
»Bitte«, sagte Louise verzweifelt. »Er hat mit dem Mord an eurem Kollegen nichts zu tun.«
»Sagt wer?«, fragte Bredik.
»Na ja, ich.«
»Kannst du das beweisen?«
»Nein. Aber ich glaube ihm.«
Eine Minute dreißig? Eine Minute? Nein, dachte sie, länger, das Zählwerk in ihrem Kopf orientierte sich an ihrem rasenden Puls.
»Er hatte kein Motiv, im Gegensatz zu Steinhoff.«
»Und welches Motiv hatte Steinhoff?«, fragte Harth.
»Panik.«
Harth schnaubte durch die Nase. »Nicht sehr überzeugend.«
»Die Täter waren zu zweit«, sagte Bredik, an Mike gewandt. »Wer war die zweite Person?«
»Er weiß es nicht«, sagte Louise, als Mike nicht antwortete.
»Auch nicht sehr überzeugend«, meinte Harth.
»Wir müssen ihn mitnehmen, Bonì«, sagte Bredik.
Während Harth die Belehrungsformel nach § 136 herunterleierte, lag Mikes Blick auf Louise. Sie hob die Schultern, hoffte, dass er die Botschaft verstand: Ich weiß nicht weiter, tu, was du für richtig hältst, ich vertraue dir.
Eine Minute? Dreißig Sekunden?
Keine fünf Sekunden später ging die Beleuchtung aus. Harth und Bredik fluchten, riefen Warnungen, Louise schloss die Augen, wartete. Ein Arm legte sich kraftvoll um ihre Brust und presste sie an einen Körper. Sie wurde mit
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