Das verborgene Netz
doch nicht schwer. Erfinden Sie einen.«
»Mike.«
»Könnten Sie bitte die Maske abnehmen, Mike? Ich rede nicht gern mit Leuten, die ihr Gesicht vor mir verstecken.«
»Vergessen Sie nicht, dass Sie mich treffen wollten.« Seine Stimme hatte sich nicht verändert, klang nach wie vor ruhig.
»Und Sie sind gekommen. Die Maske.«
»So weit sind wir noch nicht. Setzen Sie sich wieder.«
Bereitwillig ließ sie sich auf den Boden sinken, lehnte den Rücken gegen die Tür, sagte: »Fangen wir mit dem Ergebnis an. Am Ende dieses Gesprächs müssen Sie mich davon überzeugt haben, dass Sie kein Mörder sind.«
»Nein«, erwiderte Mike. »Am Ende dieses Gesprächs müssen Sie mir einen Deal angeboten haben.«
Mike war die Treppe heruntergestiegen, hatte sich an die Wand ihr gegenüber gestellt. Die beiden Pistolen hatte er auf die unterste Stufe gelegt, kein echtes Entgegenkommen, er konnte binnen einer Sekunde danach greifen, falls Louise auf dumme Gedanken kam.
Sie war zu müde, um auf dumme Gedanken zu kommen.
Aber sie war wach genug, um die Möglichkeit nicht außer Acht zu lassen, dass sie vor dem Mörder von Philipp Schulz saß. »Zeigen Sie mir Ihre Hände.«
Mike streifte die Handschuhe ab, hielt ihr die Hände hin, drehte sie langsam. Sie waren schmal, aber kräftig, die Finger fast elegant geschwungen. Keine sichtbaren Schmauchspuren, doch ohne Rasterelektronenmikroskop konnte sie nicht sicher sein. Sie beugte sich vor, nahm den Geruch von Schweiß, Metall, Waffenfett auf seiner Haut wahr.
Er reichte ihr die Handschuhe, sie roch daran – nichts.
»Die Jackenärmel.«
Er hob beide Arme.
Auch am Stoff der Jacke keine Hinweise darauf, dass er geschossen hatte. »Und jetzt die Walther«, sagte sie.
»Setzen Sie sich auf Ihre Hände.«
Sie gehorchte mit einem müden Lächeln, und Mike hielt ihr die Waffe unter die Nase. Nichts. Aber er hätte eine andere
Pistole verwenden können. Hätte andere Handschuhe, eine andere Jacke tragen können.
»Fangen wir an«, sagte er, nachdem er die Walther wieder auf die Stufe gelegt hatte.
Louise rieb sich die Augen, versuchte sich zu konzentrieren. »Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege. Hans Peter Steinhoff hat im Auftrag einer französischen Solarfirma seit Anfang des Jahres Leute bei GoSolar eingeschleust.« Sie deutete auf Mike. »Zu denen Sie nicht gehören. Vielleicht haben Sie das Ganze mit ihm organisiert, vielleicht sind Sie auch nur sein Mann fürs Grobe … Was ich nicht verstehe, ist, warum Sie ihn in Berlin halbtot geschlagen haben. Eine kleine Meinungsverschiedenheit unter Spitzeln?«
Das Gesicht unter der Maske bewegte sich. Dann sagte Mike: »Der Reihe nach.«
»Na gut. Wie heißt die französische Firma?«
»Die kriegen Sie nicht dran.«
»Mit Ihnen als Zeuge schon.«
»Ich stehe nicht als Zeuge zur Verfügung.«
»Auch nicht gegen Steinhoff?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich rede mit Ihnen, dabei bleibt es.«
Sie seufzte. Dies wäre, dachte sie, ein guter Moment für Dramatik gewesen. Aufstehen, gehen, zumindest so tun als ob, um zu zeigen, dass sie mehr brauchte als nur ein informelles Gespräch. Testen, ob Mike sie zurückhalten würde.
Aber sie hatte keine Kraft mehr für Dramatik.
»War der Geheimdienst beteiligt? Der französische, meine ich.«
»Hat Informationen geliefert. Wollen Sie den auch verklagen?«
»Ach, mal sehen.«
Er lachte leise.
Über ihnen war ein Geräusch zu hören, ein fernes Schlurfen. Mikes Augen glitten zur Decke, kehrten zu Louise zurück, als es verklungen war.
Sie wechselte die Sitzposition, die Beine drohten einzuschlafen. »Steinhoffs Leute sollten bei GoSolar einerseits Informationen zu ›DriveSolar‹ beschaffen, andererseits das gute Klima in der Firma zerstören.« Sie wedelte mit der Hand. »Mobbing, sexuelle Belästigung, Verleumdung, Konkurrenz, Gerüchte und so weiter.«
Sie wartete auf Widerspruch. Mike sagte nichts.
»Weil Esther in der Forschungsabteilung an der Quelle sitzt«, fuhr sie fort, »hat einer von Steinhoffs Leuten sie im April unter einem Vorwand dazu gebracht, ihm Daten und Informationen zu besorgen. Ende Juni hat ein Kollege, Heinrich Willert, Esther dabei beobachtet, wie sie Unterlagen doppelt kopiert hat. Willert hat den Abteilungsleiter, dessen Namen ich vergessen habe, informiert, aber der hat die Sache nicht weiterverfolgt. Weil er zu Steinhoffs Leuten gehört?«
»Nein«, sagte Mike.
Die Treppenhausbeleuchtung erlosch, Louise tastete nach dem Schalter, das
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