Das verbotene Eden 01 - David & Juna
gebadet und gesalbt in einer Seitenkammer des Tempels am Tisch und langte herzhaft zu. Mit einem Heißhunger, wie sie ihn lange nicht mehr verspürt hatte, stürzte sie sich auf das Brot, den Käse und das Wasser und schlang, bis nichts mehr übrig war. Sie hatte ihre Rüstung abgelegt und trug stattdessen ein langes Gewand aus hellem Leinen. Ein Gewebe, so dünn, dass es beinahe durchscheinend war. Am Kragen und an den Schultern war es mit schwarzen und goldenen Applikationen versehen. Zusammengehalten wurde es von einer Spange aus Silber, verziert mit einem Mondstein.
Sie hatte gerade die letzten Krümel verspeist, als die Tür aufging. Arkana war trotz ihrer zweiundvierzig Jahre immer noch eine sehr attraktive Frau. Sie trug ein langes lavendelfarbenes Kleid, das mit Hunderten kleiner goldener Runen verziert war. Ihre langen blonden Haare waren zu einem Zopf geflochten. Auf ihrem Kopf ruhte ein goldener Stirnreif, auf dem symbolisierte Blätter und Früchte zu erkennen waren. Ihre Augen waren dunkel geschminkt, was die Farbe der Iris – ein strahlendes Grün – noch besser zur Geltung brachte. Auch wenn Juna der Meinung war, dass sie nicht viel von ihrer Mutter geerbt hatte, so war doch zumindest ihre Augenfarbe gleich.
Als Arkana sie erblickte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Dann ist es also wahr. Ich konnte es kaum glauben, als Zoe mir erzählte, du seist zurückgekehrt. Komm, lass dich anschauen.«
Juna stand auf und ging auf ihre Mutter zu. Einen Meter vor ihr blieb sie stehen und ließ sich auf die Knie sinken. Sie breitete die Arme in der rituellen Demutsgeste aus und neigte den Kopf auf den Boden. »Seid gegrüßt, Mutter der Fruchtbarkeit, der Heilung und des Lichts.«
»Steh auf, Juna. Wir können auf die Formalitäten verzichten. Wie geht es dir? Hat Zoe dir etwas zu essen gebracht?«
»Alles bestens, Mutter. Ich bringe wichtige Nachrichten aus dem Norden. Können wir reden?«
Arkana überlegte kurz, dann sagte sie: »Am besten wir unterhalten uns in meinen Privaträumen. Da sind wir ungestört. Folge mir.«
Das Innere des Tempels war überwältigend. Unzählige Geweihe und Hörner hingen an schwarzgefärbten Balken hoch über ihren Köpfen. Zweimal sechzehn Säulen trugen die Konstruktion und wurden von sanften Ölfeuern beleuchtet. Schwarze Schatten zuckten über die Wände. Am Kopfende des Saals standen drei überlebensgroße Statuen. Wilbeth, das Licht, die mit ihrem Spinnrad den Lebensfaden spann, Ambeth, die ihn zu Stoff webte, und Borbeth, die ihn wieder abschnitt, als Sinnbild des Todes: die höchsten Gottheiten, die es in Glânmor gab. In ihren Händen lagen die Symbole Spinnrad, Kelch und Turm, der das Tor zur Anderswelt verkörperte. Die drei Göttinnen waren aus Holz und Lehm geformt und mit weißer, roter und schwarzer Farbe bemalt. Der Geruch von verbranntem Harz und anderen Essenzen hing in der Luft. Juna berührte ihre Stirn mit den Fingern und neigte den Kopf. Arkana steuerte auf eine Tür links von ihnen zu, und Juna musste sich beeilen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Schlagartig wurde es wärmer. Schwefelgeruch lag in der Luft. Sie hatten das Allerheiligste betreten.
Juna erinnerte sich, dass sie als kleines Kind zum ersten Mal hier gewesen war, damals nicht älter als vier oder fünf. Es war üblich, die Kinder kurz nach der Geburt in die Obhut der Hebammen zu geben, die sie aufzogen und unterrichteten. Im Schulgebäude erlernten die Kinder alles, was für ihren Stand nötig war. Normalerweise durften die Kinder ihre Mütter regelmäßig besuchen, doch bei Juna war das anders. Als Tochter der Hohepriesterin galten für sie nicht die gleichen Gesetze und Anordnungen wie für all die anderen Mädchen ihres Alters. Nur wenige Male war es ihr vergönnt gewesen, Arkanas Privatgemächer zu betreten. Damals waren ihr die Gänge und Gewölbe unermesslich groß vorgekommen, doch jetzt schienen sie auf ein normales Maß geschrumpft. Trotzdem blieb das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun.
Arkana ging ein paar Treppenstufen nach unten und schwenkte dann nach rechts. Vor einer mit dunklen Schmiedearbeiten verzierten Tür blieb sie stehen. »Da wären wir. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass wir so weit laufen mussten, aber ich fühle mich einfach wohler hier. Außerdem ist es so lange her, dass du mich das letzte Mal besucht hast.« Sie zog einen Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. »Tritt näher, mein Kind.«
Der Raum war anders als in allen übrigen Häusern
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