Das verbotene Eden 01 - David & Juna
eine geübte Reiterin wie sie kein Pappenstiel. Sie sehnte sich nach etwas zu essen und einem Bett. Ihre Gefährtin war im Haus der Heilung beschäftigt und schlief vermutlich längst. Gwens Tag begann um halb vier in der Früh, sie würde jedoch sicher nichts dagegen haben, wenn sie sich später noch ein paar Stunden an sie ankuschelte.
Juna erreichte den Steg und betrat ihn.
Ein feiner Schwefelgeruch lag über dem See, Zeugnis für die feurige Seele des Berges. Der letzte Ausbruch lag lange zurück. Vielleicht würde er irgendwann einmal wieder ausbrechen, doch ob es dann noch Menschen gab, das wussten nur die Götter. Der untere Teil der Insel war in Dunkelheit gehüllt. Mächtige Weiden flankierten das Ufer und ließen ihre Äste ins Wasser hängen. Weiter oben schimmerte das Licht der immerwährenden Fackeln zwischen den Buchen und Eichen hindurch, die den Tempel umrahmten. Die Halle selbst ragte wie eine Klippe hinaus in den Nachthimmel. Ein spitzgiebeliges Dach mit einem Turm, von dem aus man weit hinaus ins Land schauen konnte. Säulen aus geschnitzten Eichenstämmen säumten den Eingang, während darüber – in einer Art Fries – eine Gruppe aus drei Skulpturen über das Wohl der Menschen wachte: Ambeth, Borbeth und Wilbeth, die Göttinnen der Fruchtbarkeit, der Heilung und des Lichts.
Wie immer, wenn Juna am Rand des Sees stand und zum Tempelberg hinüberblickte, kam sie sich klein und unbedeutend vor. Die Fischerinnen sagten, an klaren Tagen könne man tief unten im Wasser die Mauern einer versunkenen Stadt sehen, doch Juna hielt das eher für Felsen und Spalten.
Die Balken knarrten unter ihren Füßen. Der See glänzte schwarz wie Obsidian, auf dem sich der Mond spiegelte. Am anderen Ufer war Bewegung zu erkennen. Der Tempel wurde streng bewacht. Niemand kam hier unbemerkt hinein.
»Wer da?«
»Ich bin es, Juna, Tochter der Arkana. Ich komme mit einer dringenden Botschaft«, wiederholte sie ihren Satz.
Silbrig schimmernde Waffen wurden gesenkt, eine Fackel flammte auf. »Juna?«
Es war Brianna, die Oberste ihres Ordens. Das Feuer ließ ihr hartes, ausgemergeltes Gesicht noch kantiger erscheinen.
»Was tust du hier? Wir haben dich nicht vor übermorgen zurückerwartet.«
»Ich muss zur Hohepriesterin.«
»Ausgeschlossen.«
»Denkst du, ich hätte den weiten Weg auf mich genommen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre?«
Brianna blickte skeptisch. »Arkana hat sich bereits in ihre Privatgemächer zurückgezogen. Du wirst heute nicht mehr zu ihr können.«
»Lass es mich doch wenigstens versuchen.« Juna ballte ihre Fäuste. Sie war müde, und Hunger hatte sie auch. »Ich bin nicht so lange geritten, um jetzt abgewiesen zu werden. Lass mich vorbei, oder ich muss mir den Weg freikämpfen.« Sie ließ den Umhang zur Seite gleiten und legte ihre Hand auf das Schwert.
Brianna sah sie einen Moment lang ungläubig an, dann lachte sie. »Kämpfen willst du?«, fragte sie. »Na, das lob ich mir. So viel Hartnäckigkeit soll belohnt werden.« Sie winkte Juna zu. »Komm mit. Aber versprechen kann ich dir nichts.«
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
Der Anstieg war steil. Fünfmal fünfundzwanzig Stufen führten über Terrassen empor, vorbei an uralten Bäumen, stillen Tümpeln und plätschernden Bächlein. Unter normalen Umständen kein Problem, doch heute fiel Juna der Aufstieg schwer. Als sie an der Tempelpforte ankam, rang sie nach Atem. Brianna klopfte an die Tür und wartete. Es dauerte eine Weile, dann waren von innen Geräusche zu hören. Der Riegel wurde zurückgezogen und die Tür einen Spalt weit geöffnet. Verhaltenes Gemurmel war zu hören. Brianna wechselte einige Worte mit einer Person im Inneren. Dann ging die Tür weiter auf.
Zoe, die Dienerin Arkanas, erschien an der Tür. Sie kam heraus und warf einen Blick auf Juna.
»Was willst du?«
»Ich muss zu meiner Mutter«, keuchte Juna. »Ich habe eine wichtige Botschaft für sie.«
»So schmutzig, wie du bist, gehst du nirgendwohin.« Mit gerümpfter Nase fügte sie hinzu: »Du riechst.«
»Dann mach mir ein Bad und richte mir ein paar frische Kleider her. Und wenn du schon dabei bist, etwas zu essen brauche ich auch.«
Zoe schien einen Moment mit sich zu ringen, dann nickte sie. »Es ist zwar gegen alle Regeln, aber bei dir werde ich eine Ausnahme machen. Die Hohepriesterin ist noch nicht zu Bett gegangen, also komm herein. Ich werde alles für ein Treffen vorbereiten.«
Eine halbe Stunde später saß Juna frisch
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