Das verbotene Eden 01 - David & Juna
sich alle Antworten, die wir benötigen. Besonders die, die den Umgang mit den Hexen beschreiben. Verflucht seien ihre deformierten Leiber.«
»Ein wichtiges Werk, da muss ich Euch recht geben«, sagte Benedikt und deutete David mit einer knappen Handbewegung an, er möge den Krug abstellen und sich rasch entfernen. »Doch es gibt noch andere Bücher, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Wir fangen erst langsam an zu verstehen, was in den Dunklen Jahren wirklich geschehen ist. Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, wenn wir nicht …«
»Papperlapapp«, unterbrach ihn der Inquisitor.
»Vergangenheit.«
Er spuckte das Wort regelrecht aus. »Es ist die Gegenwart, die uns zu interessieren hat, und die sieht nicht gerade rosig aus. Schafft mir den Tribut heran, dann will ich über die Verzögerung hinwegsehen.« Mit einem Seufzen richtete er sich auf. »Kommen wir zu angenehmeren Dingen.« Sein Blick wanderte hinüber zu Amon und seinen Freunden. »Selbst in dunkelster Nacht scheint immer noch ein Stern am Himmel. Und so ist es mir eine besondere Freude und Ehre, das Werk einiger Ordensbrüder aus dieser Gemeinschaft lobend hervorzuheben. Seit ihrem Bestehen hat die Heilige Lanze stets dafür gesorgt, dass die Bedrohung aus dem Grenzland nicht überhandnimmt. Ihre Mitglieder haben bei ihrem Blut geschworen, die Heilige Stadt vor Übergriffen zu schützen und die Macht des Weibes zu begrenzen.« Er warf einen scharfen Blick in die Runde. »Wir alle wissen, dass Nahrungsmittel im Umkreis der Stadt nur begrenzt verfügbar sind. Die Feldzüge der Heiligen Lanze sichern den Fortbestand unseres Ordens. Eine höchst ehrbare Aufgabe also, der sich Bruder Amon und seine Mitstreiter angenommen haben. Auch wenn Anzahl und Intensität noch verbesserungswürdig sind, so darf ich doch voller Stolz verkünden, dass es für diese jungen Brüder der 50 . Einsatz war. Fünfzig Landernten, das bedeutet fünfzigmal Getreide, fünfzigmal Fleisch und fünfzigmal Milch. Für eure Treue zur Kirche, euren selbstlosen Einsatz und eure Tapferkeit vor dem Feind darf ich euch deshalb heute das Abzeichen unseres Ordens verleihen: die schwarze Kathedrale. Tretet vor, meine Brüder.«
Räuspern und Stühlerücken durchdrangen den Raum. Amon und seine Freunde standen auf und schritten mit strahlenden Gesichtern auf den Inquisitor zu. Als Amon an David vorbeiging, berührte er ihn kurz mit der Hand. David wusste, welch großer Moment dies für seinen Freund war, und er freute sich für ihn.
Die sechs Männer standen vor dem Inquisitor und ließen sich von ihm die Nadel ans Schultertuch stecken. Marcus hieß sie die rechte Hand auszustrecken. Er nahm seinen Stab und fuhr mit einer beinahe zärtlichen Bewegung über die helle Haut. Blut trat hervor. Die sechs Männer kreuzten ihre Arme, und der Inquisitor ließ ein weißes Stück Stoff darauffallen. Das grobe Leinengewebe färbte sich rot.
»Jetzt kniet nieder und sprecht die Worte unseres Ordens:
Wir wenigen, wir glücklichen wenigen, wir Schar von Brüdern. Wer heute sein Blut mit mir vergießt, soll mein Bruder sein. Denn, Männer, ich rufe euch zu: Wenn es eine Sünde ist, Ehre zu erstreben, bin ich die sündigste Seele, die je gelebt hat.«
Die jungen Männer wiederholten die Worte, und der Inquisitor lächelte grimmig. »Tragt eure Nadeln wie eure Narben: mit Stolz und Würde. Auf dass die Wunden, die unserem Herrn geschlagen wurden, in euch weiterleben.« Er stand auf. »Und nun erhebt euch, Ritter der Heiligen Lanze. Schwört, dass ihr euch den blutigen Krieg auf eure Waffen geschrieben habt und dass ihr die verderbte Brut in den wilden Landen bekämpfen werdet, wo immer sie euch begegnet.«
»Wir schwören!«
Die Mönche applaudierten. Einige gingen nach vorne und klopften den Männern auf die Schultern. David bemerkte, dass sein Meister, Bibliothekar Stephan, nicht unter den Gratulanten war.
3
E s war Abend, als Juna den Wall erreichte. Die Luft ließ ihren Atem zu kleinen Nebelschleiern kondensieren. Ein schneidender Wind von Norden scheuchte die letzten Wolken über den Himmel. Die Juninächte waren kühl dieses Jahr.
Vor ihr ragte undeutlich das große Tor auf. Die Dunkelheit trug Geräusche über weite Entfernungen. Sie hörte den Hufschlag von Eseln und Maultieren sowie verhaltene Stimmen. Die Wachen waren also bereits auf sie aufmerksam geworden.
»Halt, stehen bleiben!« Eine Stimme von rechts.
Juna zog am Zügel und brachte den Schecken zum Stehen. Sie wusste,
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