Das verbotene Eden 01 - David & Juna
besonnener und kluger Mann. Wenn jemand Rat wusste, dann er.
Also fing er an zu erzählen.
Er berichtete vom Beginn seiner Entführung bis zu dem Moment, als er und Juna sich getrennt hatten. Es dauerte eine ganze Weile, bis er alles erzählt hatte, und als er fertig war, musste er sich erschöpft zurücklehnen. Benedikt strich nachdenklich über sein Kinn. »Eine wahrhaft unglaubliche Erzählung. Wüsste ich es nicht besser, ich würde glauben, du wolltest mich zum Besten halten. Aber ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass jedes Wort der Wahrheit entspricht.« In seinen Augen war ein seltsamer Glanz zu sehen. »Das Buch, hast du es noch?«
David war überrascht, dass Benedikt ausgerechnet danach fragte. Er griff in die Innentasche seiner Kutte und zog es heraus. Der Einband hatte einiges abbekommen und sah inzwischen nicht mehr so frisch und sauber aus wie zu Beginn des Abenteuers. Den Abt schien das nicht zu stören. Er blätterte, bis er zum Abbild der Julia kam, und betrachtete es genau. »Du sagtest, sie sah so ähnlich aus?«
»Nicht nur so ähnlich. Es war, als wäre sie diesem Buch entstiegen und zum Leben erwacht.«
»Dann hast du dich also in ein Abbild verliebt.«
David schüttelte den Kopf. »Vielleicht anfangs. Später nicht mehr. Juna ist so ganz anders als Julia. Sie ist eine Kämpferin, durch und durch.«
Lächelnd klappte der Abt das Buch zu und gab es David zurück. »Sieh an, sieh an«, murmelte er. »Wer hätte das gedacht? Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich diesen Tag noch erleben würde. Unfassbar, dass die Hohepriesterin dieses Spiel seit zwanzig Jahren spielt. Aber das ist eben die Liebe. Nur sie kann das vollbringen. Du sagtest, der Name des Mannes, mit dem sie zusammenlebt, sei Claudius?«
»So wurde es mir berichtet, ja. Kennt Ihr ihn etwa?«
»Kennen wäre zu viel gesagt, ich bin ihm einmal begegnet. Ein intelligenter und aufgeschlossener Mann mit einem Hang zum Risiko. Er war der beste Freund des jetzigen Inquisitors, Marcus Capistranus, und vermutlich ist er auch der Grund, warum dieser den Frauen immerwährende Feindschaft geschworen hat. Ich frage mich, was geschehen würde, wenn er erführe, dass sein Freund noch am Leben ist und dass er obendrein noch mit einer Frau zusammenlebt.«
»Es würde ihn mit noch mehr Hass erfüllen.«
Benedikt nickte nachdenklich. Er griff nach einem Krug und goss ein Glas Wasser ein. David beobachtete, wie sich sein Adamsapfel bewegte, während er es austrank. Als er es abgestellt und über seinen Mund gewischt hatte, glaubte David eine Veränderung in seinem Ausdruck zu bemerken.
»Vermutlich hast du recht«, sagte Benedikt. »Er würde den Krieg noch schneller vorantreiben, als er es ohnehin schon tut.«
»Krieg?«
Benedikt zögerte kurz, dann sagte er: »Ich war kürzlich in der Kathedrale auf einer Versammlung der Kirchenführer. Marcus Capistranus hielt eine flammende Rede, in deren Verlauf er zum Heiligen Krieg aufrief. Der Vorschlag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Während wir hier sprechen, bewegen sich große Truppenverbände in Richtung Raffinerie. Von dort aus soll die Invasion starten.«
»Mein Gott. Wann?«
»Ich weiß es nicht genau, aber vermutlich noch vor Ende des Monats.«
»Aber das ist ja schrecklich.«
Benedikt nickte. »Das ist es. Und es bringt mich auch gleich zum nächsten Problem.
Dich.
«
»Mich?«
Benedikt blickte ihn ernst an. »Du hattest ganz recht, dass du so vorsichtig warst. Wir müssen entscheiden, was wir mit dir machen. Hierbleiben kannst du nicht. Amon und der Inquisitor dürfen auf keinen Fall herausbekommen, dass du wieder da bist. Kannst du dir vorstellen, was passieren wird, wenn sie erfahren, dass du wieder im Lande bist?«
»Nun ja, vermutlich wären sie sehr überrascht.«
»Überrascht?« Der Abt stieß ein zynisches Lachen aus.
»Das ist noch milde ausgedrückt. Anfangs wären sie das vielleicht, dann wären sie neugierig und dann misstrauisch. Du weißt zu viel. Du dürftest gar nicht hier sein. Man wird glauben, die Hexen hätten dich absichtlich entkommen lassen, um uns falsche oder irreführende Informationen zuzuspielen. Man würde dich verdächtigen, mit ihnen zu paktieren. Ich weiß, dass das alles Unfug ist. Du bist eine ehrliche Seele, das kann ich in deinen Augen sehen, aber andere vermögen das nicht. Menschen, deren Blickfeld so eingeschränkt ist, dass sie überall nur Lügen und Verrat sehen. Wenn du ihnen in die Hände fällst, ist dein
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