Das verbotene Eden 01 - David & Juna
Weigel.«
»Eigenartiger Rhythmus«, sagte Juna. »Sehr beschwingt.«
David nickte. »Das nennt sich Walzer. Es gibt sogar einen eigenen Tanz dafür. Mein Meister hat ihn mir beigebracht. Soll ich ihn dir zeigen?«
»Wir haben doch keine Zeit. Außerdem kann ich nicht tanzen. Ich bin eine Brigantin, wir haben so was nie gelernt.«
»Unsinn«, widersprach David. »Es ist ganz leicht. Komm.« Er trat an sie heran, nahm ihre rechte Hand in seine linke und legte die andere auf ihre Hüfte. »Jetzt folge einfach meinen Schritten. Links, zwei, drei – rechts, zwei, drei – und immer so weiter. Siehst du, es geht doch schon ganz gut. Und jetzt machen wir bei jedem Wechsel eine Vierteldrehung. Na, siehst du, du kannst es.« Er lächelte. »Du bist ein Naturtalent, wusstest du das?«
Juna errötete. Sie hatte so etwas noch nie gemacht, aber es fühlte sich wunderbar an. Fast so, als würde ihr Körper sich von alleine bewegen. Ihr wurde seltsam zumute. Ihre Sorgen, ihre trüben Gedanken – alles war wie weggefegt. Die Musik, die ungewohnte Bewegung, Davids Körper so nah an ihrem … es war fast wie ein Rausch. »Ich glaube, mir ist ein bisschen schwindelig«, sagte sie.
»Das ist ganz normal«, sagte er. »Warte mal, ich mach die Tür auf, dann bekommst du etwas frische Luft.« Er stieß die Tür auf. Ein Schwall kühler Luft drang in die Hütte.
Draußen hatte es aufgehört zu regnen. Durch die Blätter fielen bereits die ersten Sonnenstrahlen. Der Wald sah wie verzaubert aus.
»Du willst die Raffinerie zerstören, habe ich recht?«, flüsterte sie. »Du willst losziehen und das verdammte Ding in die Luft jagen.«
»Ich wusste, dass ich dir nichts vormachen kann«, sagte er. »Das war mir klar, als du durch diese Tür hereingekommen bist.«
»Aber wie willst du das anstellen?«
»Das erkläre ich dir. Jetzt gleich. Aber zuerst möchte ich noch diesen Tanz zu Ende tanzen. Nur diesen einen. Schenkst du mir den?«
Sie nickte.
Er nahm sie bei der Hand und verließ mit ihr das Haus. Die Musik war jetzt zwar etwas leiser, aber das störte die beiden nicht weiter. Der Wald war wie ein Ballsaal. Der größte und prächtigste Ballsaal, den man sich vorstellen konnte.
Juna war wie verzaubert. Sie wusste nicht, was schöner war: zu dieser neuartigen Musik zu tanzen oder von David im Arm gehalten zu werden. Er sah so verändert aus. Er war nicht mehr der ängstliche Junge, den sie vor ein paar Tagen gefangen und eingesperrt hatte. Stattdessen stand jetzt ein Mann vor ihr. Sie hörte auf zu tanzen und sah ihn an. Einen Moment lang standen sie so da, und die Zeit schien stillzustehen. Seine Augen, sein Mund – sie fühlte sich wie magisch von ihm angezogen. Dann berührten sich ihre Lippen.
Sie schloss die Augen.
Diesmal war es sensationell.
46
A mon ließ den Motor seines Motorrads aufheulen und schwenkte hinter dem Kloster in die Straße ein, die hinaus zu den Seen führte. Die ehemaligen Parkanlagen waren natürlich längst überwuchert, aber es gab immer noch Wege, die einigermaßen passierbar waren. Verrostete Kinderspielplätze, die Ruinen einiger Schulen, mehr war nicht übrig von der ehemaligen Pracht. Warum hatte sich David hier verkrochen? Im Kloster hieß es, er wäre nur kurz da gewesen und sei dann hastig aufgebrochen. Abt Benedikt persönlich hatte ihm den Schlüssel zu dieser Hütte gegeben. Auf seine Fragen hatte der Abt sehr ausweichend reagiert, aber Amon wusste auch so, wo die Hütte lag; er war früher schon einmal dort gewesen. Es war klar, dass der alte Mann etwas verheimlichte. Diese Sache würde ein Nachspiel haben, so viel stand fest.
Amon schaltete in einen kleineren Gang und umrundete einen umgekippten Schulbus. Im Inneren lagen immer noch Reste von Polstersitzen und Schultaschen herum. Die Maschinenpistole auf seinem Rücken schlug bei jeder Unebenheit gegen seine Schulter. Bis zur Hütte war es jetzt nicht mehr weit. Eine Gruppe von Enten stob ängstlich auseinander, als er mit seiner Maschine einfach durch sie hindurchfuhr. Leider waren sie zu vorsichtig, um sich näher heranzutrauen; liebend gerne hätte er eines dieser quakenden Viecher unter seinen breiten Reifen zermalmt.
Einen halben Kilometer weiter zweigte ein kleiner Pfad vom Hauptweg ab und führte in den Wald. Amon nahm die Hand vom Gas und fuhr langsamer.
Da lag sie.
Die Tür war verschlossen. Die Fenster starrten vor Schmutz, so dass man nicht erkennen konnte, was drinnen vor sich ging. Amon spürte, dass jemand
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