Das verbotene Eden 01 - David & Juna
hier gewesen war. Ein feiner Geruch nach Rauch und Essen hing in der Luft. Er ließ seine Maschine ausrollen und stellte die Zündung ab. Der Motor hustete ein letztes Mal, dann wurde es still im Wald. Amon hatte erwartet, dass ihm jemand zur Begrüßung entgegenkommen würde; der Lärm war schließlich nicht zu überhören gewesen. Doch nichts regte sich. Seltsam. Hatte er sich etwa in der Hütte geirrt? Nein, hier gab es überall frische Fußspuren.
»David?«
Er lauschte eine Weile, aber er erhielt keine Antwort.
Noch einmal rief er den Namen, aber alles, was er erntete, waren Vogelgezwitscher und das Säuseln des Windes in den Blättern.
Mit zusammengepressten Lippen ging er zur Tür und drückte die Klinke herunter. Innen war es dunkel. Niemand hier. Keine Taschen, keine Kleidung, der Besucher war ausgeflogen. Er ging zum Kamin. Die Glut war seit mehreren Stunden erkaltet, nur in der Mitte war noch ein bisschen Wärme zu spüren. Daneben stand eine Pfanne, in der noch vor kurzem etwas gebraten worden war. Amon meinte, den Duft von Speck und Eiern zu riechen.
Er stand auf. Seit er nur noch ein Auge besaß, fiel es ihm schwer, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Er brauchte jetzt länger, ehe er Details erkennen konnte. Doch plötzlich sah er etwas auf dem Tisch.
Da lag ein Schlüssel und darunter ein Zettel. Der Schlüssel war unwichtig, er gehörte zur Hütte; der Zettel war dafür umso interessanter. Amon ging damit ans Fenster und begann zu lesen.
»Verehrter Abt Benedikt,
wenn Sie das hier lesen, werde ich bereits fort sein. Ich habe mich entschlossen, diese Stadt und diesen Ort zu verlassen, um das zu suchen, was gemeinhin als ›Zuflucht‹ bekannt ist. Vielleicht haben Sie schon davon gehört. Ein Ort, an dem Männer und Frauen gleichberechtigt zusammenleben können und der all jenen Unterschlupf bietet, bei denen das Virus aufgehört hat zu wirken. Noch wissen wir nicht, wie wir dorthin gelangen sollen, aber ich habe mich zu einem kühnen Plan entschlossen. Besser ich verrate es nicht, es könnte Euch sonst in Gefahr bringen. Ich tue das auch für Meister Stephan und für Sven. Ich weiß, die beiden hätten das so gewollt.
Ihr wisst, dass ich mich in Juna verliebt habe. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit ihr zusammen zu sein. Ich glaube sogar, dass dies Gottes Wunsch ist, denn er hat sie heute zu mir zurückgeschickt. Tief in mir spüre ich, dass das kein Zufall ist. Wir werden gemeinsam von hier weggehen. Wünscht uns Glück. Auch auf die Gefahr hin, Euch Kummer zu bereiten, so kann ich Euch die Botschaft leider nicht persönlich überbringen. Ich darf das Risiko nicht eingehen, meinem Vater in die Hände zu laufen. Und bitte sagt Amon nichts davon. Er würde es niemals verstehen. Lebt wohl und danke für alles, was Ihr für mich getan habt. Euer Euch stets bewundernder David.«
Amon war wie zur Salzsäule erstarrt. Er konnte einfach nicht anders. Wieder und wieder musste er den Brief lesen. Jeden Buchstaben, jedes Wort, jeden Absatz. Die kurzen, sauber gesetzten Schriftzeichen brannten sich unauslöschlich in sein Gedächtnis ein.
Ein Wort stach ihm besonders ins Auge.
Juna.
Er hob den Kopf. Irgendetwas löste dieser Name in ihm aus. Er hatte ihn schon einmal gehört, nur wo? Plötzlich fiel es ihm wieder ein. In Alcmona, an dem Tag, an dem sie ihm sein Auge geraubt hatten. Er hatte das Bild der Frau genau vor Augen. Etwas jünger als er. Stolz und arrogant. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er das Verlangen gehabt, sie zu demütigen, sie in den Schandkreis zu zerren und zu erniedrigen. Aber dann war alles schiefgegangen. Es konnte sich natürlich um einen Zufall handeln, aber eine dunkle Stimme tief in seinem Inneren flüsterte, dass er sich nicht irrte.
Amon ballte seine Hände zu Fäusten. Er wurde von einer Wut überrollt, die das Gewitter vom Vorabend wie ein laues Lüftchen aussehen ließ. Wie konnte David ihm so etwas antun? War es etwa immer noch wegen der Sache mit der Raffinerie? Oder weil er ihn mit zum Inquisitor mitgenommen hatte? Nein, regte sich eine andere Stimme. David war unschuldig. Er war verhext worden. Hieß es nicht, diese Weiber könnten einen Mann dazu bringen, Dinge zu tun, die er sonst niemals tun würde? Wer konnte schon sagen, was sie mit ihm angestellt hatten? Das entband ihn natürlich nicht von seiner Schuld. Er würde bezahlen für das, was er angerichtet hatte. In dem Brief war von Liebe die Rede und von Flucht. Liebe zu einer Frau? Was war
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