Das verbotene Eden 01 - David & Juna
noch.
»Musst du mir das antun?«, fragte sie. »Ich bin eine Brigantin. Ich wurde für den Kampf ausgebildet, nicht zum Wechseln von Windeln. Was hat sich meine Mutter nur dabei gedacht, als sie mich hierhergeschickt hat? Und was hat sich
deine
Mutter dabei gedacht, dass sie ausgerechnet einen Jungen in die Welt setzen musste? Das Ganze riecht nach Verschwörung.« Der Kleine schrie mittlerweile aus Leibeskräften.
Juna verdrehte die Augen. Sie packte das Milchfläschchen wieder ein und holte das Leinentuch heraus, das man ihr mitgegeben hatte. »So, und was soll ich jetzt damit anstellen?« Sie überlegte kurz. Sollte sie den Kleinen einfach liegen lassen und die Drecksarbeit den Männern überlassen? Aber wer konnte schon sagen, wann die kamen? Ihr Mitleid siegte. Der Zwerg konnte ja nichts dafür, dass er so hilflos war. Mit gerümpfter Nase ging sie ans Werk.
Es war schlimmer, als sie sich das vorgestellt hatte. Der gesamte Unterleib war verschmutzt, und sie hatte Mühe, sämtliche Po- und Bauchfalten zu reinigen. Der Zipfel und der kleine Beutel waren ebenfalls schmutzig. Sie stellte fest, dass sie zum ersten Mal einen Jungen nackt sah. Was für ein seltsamer Anblick! Seine Geschlechtsteile waren viel zu groß im Verhältnis zum Rest des Körpers. Ob das wohl so blieb? Sie schüttelte sich.
Irgendwann war es geschafft. Weil sie nicht wollte, dass Hunde oder andere Wildtiere von dem Geruch angelockt wurden, vergrub sie die verdreckte Windel am Rande der Lichtung. Blieb nur noch, dem Kleinen das neue Tuch umzubinden. Leider hatte sie nicht darauf geachtet, wie das andere Tuch gebunden war, also musste sie improvisieren. Mehr schlecht als recht wickelte sie das Tuch um seinen Po und machte einen Knoten rein. »So, das war’s«, sagte sie. »Mehr kannst du wirklich nicht verlangen.«
Der Kleine hatte aufgehört zu schreien und blickte sie mit großen Augen an. Ein gurrendes Geräusch kam aus seiner Kehle. Juna schaute sich um und zupfte einen großen Farnwedel ab, den sie über ihn legte. Das musste als Schutz gegen die Sonne genügen. »Jetzt muss ich aber wirklich gehen«, sagte sie. »Sicher kommen bald deine neuen Väter. Dann nehmen sie dich mit und machen dich zu einem von ihnen, zu einem Teufel. Ich kann dir nur eines raten: Mach mir keine Schwierigkeiten. Wenn du größer wirst und mir in die Quere kommst, sind wir keine Freunde mehr, hörst du?« Sie strich dem Kleinen sanft über den Kopf. Sie könnte ihm und sich selbst viel Ärger ersparen, wenn sie sein Leben beendete. Jetzt und hier. Er würde davon kaum etwas bemerken. Nur ein kleiner Schlag über den Kopf, und der Lebensfaden wäre gerissen. Kein Kind für die Teufel und kein Soldat für die Heilige Lanze. Die Frauen hatten die Macht, den Nachschub mit Säuglingen zu unterbinden. Warum taten sie es nicht? Warum dieser Pakt?
Nachdenklich machte sie sich auf den Weg. Ihr Schecke stand angebunden im Wald und begrüßte sie mit einem freudigen Wiehern. Sie befestigte Rucksack und Bogen am Sattel, dann schaute sie nochmals zurück. Der Anblick des Taufbeckens ließ sie zögern. Was, wenn der Trick mit der vollen Windel nicht funktionierte? Der Säugling war hier keineswegs sicher. Das Becken war so niedrig, dass jeder Hund bequem hochkam, wenn er sich auf seine Hinterläufe stellte. Und wenn die Teufel das Signal nicht gehört hatten oder gerade zu beschäftigt waren, um den Säugling zu holen? Bei Einbruch der Nacht tummelten sich hier schlimmere Kreaturen als Hunde.
Eine Weile schwankte sie unentschlossen hin und her, dann entschied sie sich fürs Dableiben. Natürlich brannte sie darauf, zu erfahren, was Mutter bezüglich der Verteidigung Alcmonas zu tun gedachte, aber auf ein paar Stunden mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht an. Der Gedanke war absurd, aber irgendwie war ihr der Kleine ans Herz gewachsen. Sie war neugierig, zu erfahren, was das für Leute waren, die das Kind abholten. Krieger der Lanze, Holzfäller? Oder waren es Plünderer und Strauchdiebe? Wer nahm es auf sich, das Kind großzuziehen?
Sie spähte auf die Lichtung. Immer noch nichts. Bis jemand eintraf, konnte es noch eine Weile dauern. Juna wählte einen gut getarnten Aussichtsposten, zog ihr Messer und begann, das Kaninchen zu zerlegen.
*
David bemerkte die Holzfäller erst, als sie fast an ihnen vorüber waren. Gekleidet in die Farben des Waldes, saßen die Männer im Schatten einer gewaltigen Fichte, aßen und unterhielten sich leise. Ein paar abgehackte Äste
Weitere Kostenlose Bücher